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Gefangene Seele

Gefangene Seele

Titel: Gefangene Seele
Autoren: Sharon Sala
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ihn umgebracht!”, rief Solomon.
    “Sieh dir doch an, was er mit ihr angestellt hat!”, sagte Raphael.
    “Du dummer Scheißkerl!”, erwiderte Solomon und stieß mit dem Fuß ein paar Kissen zur Seite. “Verdammte Scheiße!” Er zog ein Laken vom Bett und warf es Jade über. In Raphaels Richtung machte er eine Handbewegung. “Schaff sie hier raus.”
    Vollkommen aufgelöst stürzte Raphael zur Tür, aber irgendetwas in ihm hatte klick gemacht. Wenn sie nicht schon tot war, gab es nur eine Chance, sie zu retten. Also wurde Jade Cochrane zum zweiten Mal entführt. Sie wurde ohne ihr Wissen und ihre Zustimmung an einen Ort transportiert, den sie nicht kannte. Nur entkam sie dieses Mal der Hölle, in die sie ihre Mutter geworfen hatte.
    Raphael legte Jade auf den Beifahrersitz von Solomons VW, dann rannte er zurück ins Haus und in Solomons Zimmer. Dort nahm er alles Geld aus der Schreibtischschublade, das er finden konnte. Mit zitternden Knien lief er wieder zum Auto und zu Jade. Sie hatte sich kein bisschen bewegt, aber sie stöhnte. Er sprang auf den Fahrersitz und betete, während er den Zündschlüssel umdrehte. Der Motor sprang nicht sofort an, aber schließlich setzte sich der Wagen in Bewegung.
    Solomon kam aus dem Haus gerannt und rief nach Jade, während Raphael Gas gab und vom Grundstück fuhr. Er wusste zwar nicht, wohin er wollte und wie schlimm es Jade erwischt hatte, aber er wusste, dass ihr Leben davon abhing, ob sie schnell genug das alte Farmhaus und die People of Joy hinter sich lassen konnten.
    Auch zwölf Jahre später waren sie immer noch auf der Flucht und lebten von der Hand in den Mund und mit ein bisschen Glück auch manchmal von mehr. Aber sie wussten, dass, wenn sie jemand finden würde, sie beide wegen Mordes ins Gefängnis kommen würden.
    Jade war sehr glücklich, als sie ihrem letzten Kunden die Karikatur übergab, die sie von ihm am Straßenrand gezeichnet hatte. Dieses Glücksgefühl war selten. Sie steckte den Zehn-Dollar-Schein zu den anderen. Nachdem sie schon fünfzig Kunden skizziert hatte, hatte sie aufgehört zu zählen. Das bedeutete, dass sie über fünfhundert Dollar mit einfachen Zeichnungen verdient hatte, die sie in zehn Minuten von ihren Käufern erstellte. Das war ihr Kapital. Darüber hinaus hatte Raphael neun ihrer Ölbilder verkauft, die zwischen fünfzig und einhundert Dollar kosteten. Das Geld, das sie heute eingenommen hatten, würde die nächsten zwei oder drei Monate viel einfacher machen. Mit solch hohen Einnahmen hatte Jade nicht gerechnet.
    “Möchtest du etwas Kaltes trinken?”, fragte Raphael, als er hinter einer Staffelei hervorkam.
    Jade berührte ihn an der Wange. Er zitterte, obwohl es ein warmer Tag war, und er sah schrecklich blass aus.
    “Geht es dir nicht gut?”
    “Doch, klar geht es mir gut … Limonade, Baby?”
    Sie nickte. Als Raphael hinüber zu dem Getränkestand ging, sah sie ihm besorgt nach. Seit langer Zeit nahm sie ihn zum ersten Mal bewusst wahr. Er schien dünner geworden zu sein. Sie seufzte und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Unbewusst strich sie sich damit eine Locke aus dem Gesicht und drehte sich um. Auch sie war dünner geworden. Das passierte eben, wenn man nicht genügend zu essen hatte. Dann lächelte sie, als sie an das Geld dachte, das sie beide heute verdient hatten. Zumindest würden sie heute Abend gut essen. Vielleicht könnte sie Raphael zu einem Steak überreden. Er musste wieder ein wenig mehr auf die Knochen bekommen.
    Gedankenverloren stand sie da, bis sie eine Hand auf ihrem Knie spürte. Sie zuckte zusammen, bis sie sah, dass es ein Kind war. Sie entspannte sich wieder.
    “Na, hallo”, sagte sie, “wer bist du denn?”
    “Kenny.”
    Sie kniete sich vor dem Jungen hin. “Also Kenny, möchtest du, dass ich ein Bild von dir male?”
    “Ja, bitte”, sagte eine Frau.
    Jade sah auf. Eine junge Frau, offensichtlich Kennys Mutter, lächelte Jade an und hielt ihr einen Zehn-Dollar-Schein hin. Als Jade das Geld einsteckte und Kenny auf einen Hocker setzte, sah sie, dass ein Mann hinzukam.
    “Sieh mal, Schatz”, sagte die Frau. “Sie malt ein Bild von Kenny.”
    “Das ist toll”, antwortete der Mann. “Sitz schön still für die hübsche Lady”, fügte er hinzu und zwinkerte Jade freundlich zu.
    Sie nickte, dann machte sie sich an die Arbeit, aber ihre Gedanken waren nicht bei der Karikatur. Der Mann und die Frau schienen so glücklich zu sein. Jade hatte beobachtet, dass sie sich immer wieder
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