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Gefangene des Meeres

Gefangene des Meeres

Titel: Gefangene des Meeres
Autoren: James White
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Seewasser an, daß es ihrer gemeinsamen Anstrengungen bedurfte, um sie wieder aufzustoßen. Dann kam der Augenblick, wo sie sich nicht mehr öffnen ließ. Wasser strömte in stetig wachsender Menge durch die seitlichen und unteren Türspalten und floß nach achtern ab. Wieder mußten sie sich zurückziehen.
    Die Tür zu Tank sieben befand sich in besserem Zustand, da sie häufig geschlossen wurde, um die von der Beleuchtung des Gartens erzeugte Wärme zu speichern. Sie hielt, obwohl auch sie nicht völlig dicht war. Immerhin hatten sie ein wenig Zeit gewonnen und konnten sich über ihre Lage und die notwendigen nächsten Schritte klarwerden.
    Die beiden anderen Senioren waren tot. Der ältere Dickson war in Nummer eins vom Wasser überrascht worden, und Wallis’ Bruder war während des allgemeinen Durcheinanders in Nummer vier umgekommen. Durch Abtasten des Körpers allein war schwer festzustellen gewesen, was geschehen war, aber es schien, daß sein Bruder auf dem wasserüberspülten, vom Rostschlamm schmierigen Boden ausgeglitten und im Fallen mit dem Kopf aufgeschlagen war. Er schien dabei die Besinnung verloren zu haben und war still im kaum fünfzehn Zentimeter tiefen Wasser ertrunken. Sie hätten den Körper nach achtern schaffen können, aber Wallis hatte angeordnet, daß sie ihn an Ort und Stelle zurückließen. Die Bodenluke zu Richards Loch war unter Wasser, desgleichen der Generator, der Garten und ihre Nachtlager. Alle vor Nummer sieben liegenden Tanks waren überflutet oder nicht zugänglich. Innerhalb weniger Stunden war ihre Welt um die Hälfte zusammengeschrumpft.
    Hatten sie zuvor unter Kälte und Feuchtigkeit gelitten, so kam nun noch die teilweise Überflutung hinzu. Vor den erhöhten Schwellen der Verbindungstüren stand das Wasser über einen Fuß tief, und im hintersten Tank Nummer zwölf reichte es wegen der zum Heck geneigten Lage des Schiffes bis an die Hüften. Weil Generator und Garten vom Seewasser zerstört waren, gab es keine Möglichkeit, Licht und Wärme zu erzeugen, die Luft zu erneuern oder Trinkwasser zu destillieren. Mit dem Verlust der Hälfte ihres Lebensraums hatten sie auch die Hälfte ihres Luftvorrats verloren. Nur ihre Nahrungsmittel hatten nicht unter dem Eindringen des Wassers gelitten. Verhungern würden sie nicht. Der Vorrat, mochte er auch mager sein, würde bei weitem länger reichen als Luft und Trinkwasser.
    Fünf Überlebende in einem gesunkenen Schiff, dachte Wallis traurig. Der Kreis hat sich geschlossen. Zwei junge Paare und ein alternder, übelgelaunter Arzt sahen sich dem Tod gegenüber, weil es nicht genug Luft und Trinkwasser gab. Aber diesmal gab es keine Möglichkeit zum weiteren Überleben, denn ihre Hilfsquellen waren versiegt, und es gab keinen Spielraum, in dem sich ihr Einfallsreichtum bewegen könnte, nichts, mit dem sie sich eine neue Welt aufbauen könnten, und kein Mittel, um ihr Leben über ein paar Wochen hinaus zu verlängern. Sie mußten sich mit dieser Tatsache abzufinden versuchen, mußten lernen, ihr gemeinsames Ende mit philosophischem Gleichmut zu erwarten.
    »Ist jemand ernsthaft verletzt?« fragte Wallis.
    Sie hatten sich zahlreiche Schnittwunden und Abschürfungen zugezogen, aber nichts wirklich Besorgniserregendes. Er riet ihnen, die Wunden in Salzwasser zu baden und Rost und Schmutz herauszuwaschen. Dann schlug er ihnen vor, sie sollten so viel Bettzeug an sich nehmen, wie sie in den dunklen Tanks finden könnten und in Richards Räume übersiedeln, den einzigen relativ trockenen Fleck im Schiff. Sie könnten die nassen Haardecken zum Trocknen in der Luft herumwirbeln, das würde ihnen zugleich helfen, warm zu bleiben …
    In dieser Nacht spielten sie nicht das Spiel. Sie hockten eng zusammengekauert auf ihren feuchten, kalten Decken, und keiner von ihnen konnte ein Auge zutun. Es war das erste Mal, daß sie das Spiel vernachlässigten, die erste Nacht, in der es ihren hochgezüchteten Gehirnen und ihrem phänomenalen Geist nicht gelang, sie aus dem Elend des Hier-und-Jetzt emporzuheben in die freundlichen und hellen Gefilde der Musik, Literatur und Geschichte. Es war das erste Mal, daß die Erinnerung an jüngste Ereignisse eine solche furchtbare Barriere errichtete, eine Barriere, die jeden Ausweg in die Vergangenheit, die Zukunft und sogar in die Fiktion versperrte. Es war vielleicht das erste Mal, daß sie alle erkannten, daß es keine Hoffnung gab, niemals eine Hoffnung gegeben hatte.
    Der Kommandant und Arzt kauerte zitternd
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