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Gefangene der Sehnsucht

Gefangene der Sehnsucht

Titel: Gefangene der Sehnsucht
Autoren: Kris Kennedy
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wissen? Ich lüge so, dass man es merkt, aber das scheint weniger gefährlich zu sein, als die Wahrheit preiszugeben, nicht wahr?«
    Das Lächeln, das in seinem wunderschönen Gesicht gelegen hatte, verschwand. Er war wieder ernst, wie eine Wespe.
    »Was wisst Ihr über den eure?«, verlangte sie zu wissen. Hatte dieser Mann die leiseste Ahnung, was für ein großartiger Mensch Father Peter war, welche Reichtümer diese Welt verlieren würde, sollte ihm je etwas Schlimmes widerfahren?
    »Ich kenne seinen Gebrauch der Farben«, entgegnete Jamie und schaute in die Kerzenflamme. »Grün und Rot und ein höllenschwarzes Schwarz. Er hat mich mit Tigern bekannt gemacht, mit denen die Seitenränder einer Buchseite bemalt waren. Ich war sechs. Ich hätte diese Kreatur tagelang anschauen können. Meine Mutter erzählte, ich hätte ihr gesagt, dass ich den Tiger habe brüllen hören.«
    Sie lachte leise, obwohl es mehr wie ein kleines geräuschvolles Ausatmen klang. »Der Everoot-Psalter. Ihr kennt also seine Arbeit.«
    »Aye. Seine Schriften, seine Buchmalerei.«
    »Gefährliche Dinge, nicht wahr?«
    »Aye.«
    »Englands König denkt nicht allzu gut über diese Dinge.«
    »John denkt nicht so gut über sie«, stimmte er zu.
    »Aber Ihr schon.«
    Sein Blick verließ sie nie, war Antwort genug. Die Tür zur Schenke wurde erneut aufgestoßen, und wieder drang kalte, feuchte Luft herein.
    »Es ist mehr als traurig«, sagte sie nachdenklich, »dass er sicherlich zu Eurem grausamen König gebracht wird, um beseitigt zu werden.«
    Jamie sprang auf. Eva tat es ihm gleich.
    Seine Augen verengten sich. Ihre ebenso.
    »Setzt Euch hin«, sagte er. »Habt Ihr einen Dolch?«
    Sie klopfte auf ihre Röcke.
    »Das dachte ich mir. Ich werde jetzt gehen und sehen, wie die Dinge stehen. Ihr wartet hier, bis ich zurückkomme. Sollte aber irgendetwas vorfallen und ich noch nicht wieder da sein, bevor der Idiot dort drüben von seinem Stuhl fällt«, er deutete auf einen Kaufmann mit Leinenmütze, der so mit Ale abgefüllt war, dass diese Prophezeiung nur ein paar Augenblicke brauchen würde, um wahr zu werden, »geht Ihr nach Fishamble zum Stadttor – meidet die üblen Gassen. Erwartet nicht, unsere Beute noch zu entdecken; die Männer werden das Tor bereits passiert haben.«
    Er drückte ihr mehrere Münzen in die Hand. »Für die Torwächter«, erklärte er grimmig. »Nach Einbruch der Dunkelheit öffnen sie das Tor nicht aus Freundlichkeit.«
    »Aber das ist viel zu viel …«
    »Solltet Ihr unsere Beute auf der Landstraße nicht entdecken, dann haben sie ohne Zweifel haltgemacht. Vermutlich im Goat, einem kleinen Gasthaus an der Straße nach Osten.«
    »Aber …«
    »Nennt dem Wirt meinen Namen; man wird sich um Euch kümmern.«
    »Aber …«
    »Hört auf zu reden«, befahl er und beugte sich über den Tisch, bis sein vernarbter, perfekter Mund ihrem viel zu nahe war. »Und wenn Ihr mich noch einmal anbellt, werde ich Euch fesseln und Euch auf eine Art heulen lassen, wie Ihr sie Euch noch nie habt träumen lassen, Mädchen aus der Bretagne.«
    Sie standen sich gegenüber, leicht vorgebeugt, und starrten sich an, wütend und erregt – zumindest Eva; Jamies Gesicht verriet wenig, als die Tür der Taverne sich ein weiteres Mal knarrend öffnete und dann zuschlug. Eva schaute sofort weg; eine nützliche Angewohnheit, erwachsen aus zu vielen Jahren des Davonlaufens und des Sichversteckens. In diesem Fall, wie schon in so vielen anderen, rettete es ihr das Leben.
    Die Männer, die Father Peter entführt hatten, betraten in diesem Moment die Schenke.
    Unter anderen Umständen wäre dies ein Glücksfall gewesen. Jetzt aber, im Schein der Fackeln, war Eva deutlich sichtbar, und das war außergewöhnliches Pech, weil diese Männer sie zuvor bereits gesehen hatten. Als sie Father Peter an ihr vorbeischleppten, bewusstlos.
    Wenn die Entführer sie jetzt sahen, würden sie sie wiedererkennen. Dann würden sie sie packen. Sie vielleicht sogar töten. Und Father Peter wäre verloren.
    Und Gog … ihr wurde die Kehle eng bei dem Gedanken an Roger in all seiner Unbesonnenheit. Roger, kaum fünfzehn, der ihr wie ein Bruder war und der im Wald draußen vor der Stadt auf sie wartete. Was würde Gog ohne sie anfangen?
    Langsam hob sie den Blick zurück zu Jamie, in kleinen Graden, wie die Schattenlinie auf einer Sonnenuhr. Der Hall schwerer Schritte auf Dielen dröhnte mit jedem Pulsschlag in ihrem Kopf. Ein Zittern durchströmte sie wie ein Fluss mit wandernden
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