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Gefangen in Deutschland

Gefangen in Deutschland

Titel: Gefangen in Deutschland
Autoren: Katja Schneidt
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Türken und Araber. Diese Begründungen sind schnell bei der Hand und entbinden uns und die Politik in gewisser Weise von jeglicher Verantwortung. Doch so einfach ist die Sachlage nicht. Wer den Koran kennt, weiß, dass dieser die Unterdrückung der Frau, ihre seelische und körperliche Misshandlung, die Zwangsheirat oder gar den Ehrenmord nicht propagiert. Er stellt gewiss Grundsätze und Richtlinien auf, nach denen der Mann als höherstehend als die Frau zu betrachten sei, ja die ihm sogar gestatten, sie bei Vergehen zu strafen oder – je nach Übersetzung – körperlich zu züchtigen. 1
› Hinweis
    Es gibt unzählige Koran-Übersetzungen aus dem Arabischen in andere Sprachen, so ebenfalls ins Deutsche. Wie jede Übersetzung beruhen auch die Koran-Übersetzungen letztlich auf Interpretation, sodass die verschiedenen Versionen teils große inhaltliche Unterschiede aufweisen können. Unter folgendem Link ist im Internet eine deutsche Koran-Übersetzung zu finden, die von islamischen Gelehrten in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut herausgegeben wurde: http://www.ahmadiyya.at/Islam%20Sites/ Der% 20Heilige% 20Q% C3% BCr- % C3% A2n. htm. Interessanterweise heißt es dort in Sure 4, die sich mit dem Thema »Frauen« auseinandersetzt, nicht wie in anderen Übersetzungen, dass der Mann seine Frau bei Ungehorsam zu »schlagen« oder zu »züchtigen« habe, sondern dass er sie nur »strafen« solle.
    Aber auf der anderen Seite hat die Frau zahlreiche explizit benannte Rechte wie etwa das auf Bildung, und der Mann ist verpflichtet, für ihr Wohlergehen zu sorgen. In wirklich islamisch geprägten Partnerschaften kommt es vergleichsweise selten zu Konflikten, da die Eheleute unter Berücksichtigung der Verschiedenheit der Geschlechter als gleichberechtigte Partner zusammenleben. Im Übrigen heißt es auch in der Bibel mehrfach, dass die Frau dem Manne untertan sei. Und der Mann hatte auch bei uns bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein das gesetzlich verankerte »Züchtigungsrecht« der Ehefrau gegenüber. Das Entscheidende ist jedoch, dass sich im letzten Jahrtausend im Denken der Christen ein viel größerer Wandel als im Denken vieler Muslime vollzogen hat, vorzugsweise der ungebildeten ländlichen Bevölkerungsschichten. In Mitteleuropa hat es die Aufklärung, die verschiedenen Emanzipationswellen gegeben, und es wird eben nicht mehr »ein Weltbild [proklamiert], das seine Ideale aus dem tiefsten Mittelalter schöpft« 2
› Hinweis
, wie es die Soziologin Necla Kelek denjenigen attestiert, die jede Kritik an einer falsch verstandenen praktischen Umsetzung des Islam empört ablehnen.
    Necla Kelek, Die fremde Braut. Ein Bericht aus dem Inneren des türkischen Lebens in Deutschland , München 13 2006, S. 15; s. dazu auch: Ayaan Hirsi Ali, »Der Jungfrauenkäfig«, in: dies., Ich klage an. Plädoyer für die Befreiung der muslimischen Frauen , München 10 2009, S. 101 ff.
    Und genau in diesem Festhalten an überkommenen Traditionen liegt das riesige Problem, weshalb viele Muslime in Deutschland nicht Fuß fassen können und sich in der Folge hauptsächlich oder ausschließlich in ihrer eigenen rückständigen Parallelgesellschaft bewegen. Die Motivation für die sorgsame Pflege der jahrhundertealten Konventionen, die der Frau das Tragen eines Schleiers aufzwingen, Gewalt gegen sie legitimieren, die Erhaltung des Jungfernhäutchens zum obersten Gebot machen, Zwangsheiraten befördern und Mehrehen akzeptieren, resultiert letztlich aus dem Bestreben, um jeden Preis die Familienehre zu bewahren. Diese hängt maßgeblich vom Betragen der Töchter ab. Leben die Mädchen nicht sittsam und halten sie sich nicht an die strengen Regeln der Familie bzw. der Umma, der islamischen Gemeinschaft, so wird dies als persönliches Versagen der Eltern angesehen und die Chancen auf einen guten Ehemann als wichtigstes Lebensziel der Frau sinken drastisch. Folglich lassen die Eltern nichts unversucht, aus ihren Töchtern von klein auf fremdbestimmte Wesen zu machen, die aufs Wort gehorchen und sich statt für Jungen, Mode und Kosmetik eher für Haushalt, Kochen und Kinderpflege interessieren. Was in der (ländlichen) Heimat noch halbwegs funktionieren mag, weil die Mädchen nichts anderes kennen und somit keinen Versuchungen ausgesetzt sind, ändert sich jedoch oft schlagartig mit einer Übersiedlung der Familie nach Deutschland. Plötzlich scheinen an jeder Ecke Gefahren zu lauern. Die offene Mentalität und manchmal sehr freizügige
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