Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gefaelschtes Gedaechtnis

Titel: Gefaelschtes Gedaechtnis
Autoren: John F. Case
Vom Netzwerk:
Tief in der Erde.« Wieder erschütterte ein Donnerschlag die Wände, und McBride konnte den Blitz in de Groots Augen sehen. »Die Türen öffnen sich. Du trittst ein. Die Türen schließen sich. Und nun fahren wir nach unten, tiefer und tiefer, zu dem sicheren Ort.« Der Raum flackerte von mehreren Blitzen draußen vor dem Fenster. »Dort ist kein Wurm, Henrik. Bloß das Gefühl vollkommenen Friedens.«
    De Groots Augen waren halb offen und schienen blicklos.
    »So, wir sitzen zusammen auf einem Felsen, weit weg von jedem Ort, an dem wir jemals waren«, sagte McBride, verzweifelt bemüht, seine Stimme nicht angespannt klingen zu lassen. »In einem kleinen Hafen, den niemand sonst sehen kann. Nur du und ich, die Wellen und die Vögel. Und ein leichter Wind, der nach Meer riecht. Kannst du das Meer riechen, Henrik?«
    »Ja.«
    »Wir sind an einem wunderschönen Ort, Henrik, aber ... meine Hände sind gefesselt. Glaubst du, du kannst mich losschneiden?«
    Der Holländer antwortete nicht. Und eine ganze Weile rührte er sich nicht, sondern saß einfach da in dem flackernden Licht, still und blinzelnd. Obwohl sein Gesicht teilnahmslos wirkte, wusste McBride, dass ein Kampf tief im Innern des Holländers tobte, in einem Teil des Gehirns, der so primitiv war, dass Worte keine Bedeutung hatten.
    Dann ließ die Lähmung nach, und de Groot stand auf. Er ging in die Küche, kam mit einem Messer wieder. Er blieb mit einem trostlosen und bedauernden Blick vor McBride stehen, murmelte etwas Unverständliches, beugte sich vor und zerschnitt das Klebeband.
    Adrienne gab einen Laut von sich, aber McBride bedeutete ihr mit einer Handbewegung, ruhig zu sein. Als de Groot sich wieder hingesetzt hatte, suggerierte sein ehemaliger Therapeut ihm, dass er erschöpft sei, und gleich darauf fing der Holländer an zu gähnen. Vermutlich war er sogar wirklich müde, dachte McBride. Schließlich war er die ganze Nacht auf den Beinen gewesen. Er suggerierte de Groot, die Augen zu schließen und zu schlafen. Wenn er aufwachte, sollte er zur Polizei gehen und ihr von dem Wurm erzählen. Dann würde er sich wunderbar fühlen. Kurz darauf schnarchte de Groot leise auf der Couch, den Kopf in den Nacken gelegt, mit offenem Mund.
    McBride befreite Adrienne, nahm dann ganz vorsichtig de Groot den Passierschein ab, den der Holländer um den Hals trug, und hängte ihn sich selbst um.
    »Das funktioniert niemals«, sagte Adrienne. »Du siehst ganz anders aus als er.«
    »Ich muss es versuchen!«
    »Aber —«
    »Ruf das Hotel an«, sagte er. »Vielleicht kommst du durch. Sag ihnen, es ist ein Notfall. Sag ihnen, die Feuerlöscher sind präpariert.« Er war an der Tür. »Und besorg mir einen Anwalt!«
    »Aber —«
    Dann war er schon durch die Tür und polterte die Treppe hinunter zum Wagen.
    Von de Groots Wohnung waren es knapp fünf Kilometer bis nach Davos-Dorf, und er brauchte bei dem Schnee, gegen den seine Scheibenwischer ankämpften, durch den kriechenden Verkehr eine Viertelstunde für die Strecke. Aber er kam nicht einmal in die Nähe des Kongresshotels — die Zufahrtsstraßen waren weiträumig abgeriegelt —, also ließ er den Wagen am Straßenrand stehen und fiel in Laufschritt.
    De Groots Ausweis hüpfte auf seiner Brust auf und ab, während er durch Matsch und Schnee den Berg hochlief. An einer Sicherheitsschranke wurde er von einem Soldaten angehalten, der völlig durchfroren aussah. McBride wedelte mit dem Ausweis und fluchte, dass man ihn bei dieser Kälte wegen irgendeines Problems mit den Feuerlöschern aus dem Haus gerufen hätte. »Ist bestimmt falscher Alarm«, sagte er. »lch hab die Dinger erst heute Nachmittag über­ prüft.«
    Der Soldat spähte durch den wirbelnden Schnee auf den Ausweis. »De Groot«, sagte er. »Ich muss nachfragen.«
    Der Soldat ging in einen provisorischen Unterstand aus Segeltuch und durchsichtigem Plastik und sprach in ein Telefon. Er warf McBride einen genervten Blick zu, während er ungeduldig auf eine Antwort wartete. Das Warten war eine Tortur. McBride stellte sich die Gäste an den Banketttischen vor, die bereits abgeräumt wurden, den Redner, der auf die Uhr sah, noch einen letzten Blick auf seine Notizen warf, bevor er zum Podium ging. Das Dinner hatte um sieben begonnen. Wie viele Gänge mochte es geben? Wie lange würde es dauern? Ganz ruhig, sagte er sich, doch ein Blick auf seine Uhr jagte ihm einen Schock ein. 19:48.
    Dann schob der Soldat den Kopf aus dem Unterstand, winkte ihn durch, und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher