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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis
Autoren: Chiara Strazzulla
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schüttelte seine Knochen durch, riss an seinem Fleisch. Aber dann schwächte er sich langsam ab, bis Lyannen bloß noch so etwas wie Erschöpfung verspürte. Und obwohl er fühlte, dass Blut aus vielen tausend kleinen Wunden an seinem ganzen Körper entlangströmte, obwohl sein Kopf dröhnte und er fast keine Luft mehr bekam, all dem zum Trotz stand Lyannnen immer noch. Er wankte zwar, aber er hielt sich noch aufrecht.
    Jetzt schaute er wieder zur Finsternis hin. Die knochige Hand, die sie ihm entgegenstreckte, leuchtete in einem weißen Licht, doch der Anhänger in Lyannens Faust funkelte genauso. Bildete er sich das nur ein oder zeichnete sich da tatsächlich Erstaunen im Antlitz der Finsternis ab?
    »Ich fürchte dich nicht mehr«, sagte Lyannen ganz leise zu dem schrecklichen Wesen, das über ihm aufragte.
    Und das stimmte.
    Die Finsternis starrte ihn schweigend an. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr - dieser erbärmliche Halbsterbliche, der eigentlich allein bei seinem Anblick zu Staub zerfallen sollte, bot dem furchterregenden Wesen die Stirn.Vielleicht wusste die Finsternis zum ersten Mal nicht, was sie tun sollte. Hier geschah etwas, was sie bislang für unmöglich gehalten hatte.
    Und Lyannen konnte nur abwarten. Er war immer noch ganz ruhig und spürte keine Furcht. Jetzt nicht mehr. Auch wenn er wusste, dass er nicht angreifen, sondern sich nur verteidigen konnte, und das auch nur, solange ihm die Magie half, spürte er, dass er und die Finsternis ebenbürtige Gegner waren. Sie warteten beide darauf, dass etwas passierte, und das konnte jederzeit sein. Aber Lyannen war im Vorteil und das wusste er auch. Er hatte die Finsternis mit etwas konfrontiert, das diese nie für möglich gehalten hätte.

    »Warum widersetzt du dich mir, wenn du weißt, dass du schließlich doch fallen musst?«, brüllte die Finsternis, aber Lyannen bemerkte, dass ihre Stimme nicht so fest und überzeugt war wie vorhin. »Du solltest dich lieber ergeben und diese Komödie beenden.«
    »Nein«, entgegnete Lyannen. Er wusste, dass er am Ende seiner Kräfte war, und wenn die Finsternis noch einmal angreifen würde, würde er ihr sicher nicht standhalten können, aber wenn er sich vorhin nicht ergeben hatte, als er sich schon verloren glaubte, dann konnte er das jetzt auch nicht. »Töte mich, wenn du musst, aber ich werde mich nicht ergeben.«
    Er schaute schon beinahe herausfordernd zu seinem Feind auf. Seine eisblauen Ewigenaugen bohrten sich in die rot glühenden Feueraugen der Finsternis. Und die schien davon beeindruckt. Einen Augenblick sah es fast so aus, als würden die Augen dieser riesigen mächtigen Gottheit unter dem Blick des kleinen Halbsterblichen wanken. Dann hob die Finsternis erneut ihre Hand, die wieder in dem weißen Licht aufflammte.
    »Nein!«, schrie sie, und ihre Stimme dröhnte laut wie ein Donner, der die Erde erbeben ließ und sich in der Luft brach. »Du kannst mich nicht herausfordern. Angesichts meiner Stärke bist du ein Nichts! Keiner kann mich besiegen!«
    Der magische Strahl, der auf diese Worte folgte, traf Lyannen überraschend. Er spürte seine zerstörerische Gewalt wie etwas Schweres, das ihn brutal im Rücken traf. Unsägliche Schmerzen durchbohrten ihn stechend wie die Klingen von hunderttausend Schwertern. Er sank in die Knie, seine Finger umklammerten krampfhaft den Sternenanhänger, der in diesem Moment seine einzige Hoffnung auf Leben war. Dann schaute er hinunter auf den Boden. In einem kleinen scharlachroten Rinnsal lief Blut aus drei langen Schnitten über seinen Handrücken. Er wusste, dass er am ganzen Körper unzählige ähnliche Wunden empfangen hatte. Spürte, wie ihm das Blut die Sicht trübte. Nun war wohl alles zu
Ende. Der Sternenanhänger glänzte immer noch heiß in seiner Hand, vielleicht hatte sein Zauber ja den Schlag abgemildert, der ansonsten tödlich gewesen wäre, doch was nützte ihm das alles? Die Finsternis lachte nur. Lyannen fragte sich, wie lange es dauerte, bis man verblutet war, und was wohl nach seinem Versagen aus dem ewigen Königreich und seinen Lieben würde. Und wieder einmal haderte er mit sich, weil er die Erwartungen nicht erfüllen konnte. Am liebsten hätte er seinen Schmerz laut herausgeschrien. Mit letzter Kraft schlug er zornig mit einer Faust auf den Boden.
    In dem Moment glitt ein Gegenstand aus einer Tasche seines Gewandes, wo er ihn vergessen hatte, und fiel mit einem leisen Geräusch vor seinen Augen auf den Boden. Lyannen brauchte eine Weile,
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