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Gefährliches Talent: Kriminalroman

Gefährliches Talent: Kriminalroman

Titel: Gefährliches Talent: Kriminalroman
Autoren: Aaron Elkins , Charlotte Elkins
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war. An dieser einen Stelle hatte die Farbe des fünfundneunzig Jahre alten Ölgemäldes begonnen abzuplatzen und abzublättern. Mit einem weichen Pinsel hatte sie behutsam ein Gemisch aus Bienenwachs und Dammarharz auf die Stelle aufgetragen. Ihre Zunge schaute zwischen den Zähnen hervor, als sie nun mit unendlicher Sorgfalt einen angewärmten Spachtel benutzte, um jedes einzelne abgeblätterte Teilchen wieder sachte auf der Leinwand festzudrücken.
    Dies war der schwierigste Teil des gesamten Reinigungs- und Restaurierungsprozesses und bei Weitem der nervenaufreibendste. Es handelte sich schließlich nicht um eins dieser Werke, die sie sonst behandelte, nicht um irgendein trübfarbiges Bild »im Stil von …« aus einem »Antiquitätengeschäft« unter dem Alaskan Way Viaduct, sondern um ein gut dokumentiertes Werk aus der Weißen Periode des halb wahnsinnigen, alkoholabhängigen Impressionisten Maurice Utrillo. Alix wusste, dass Katryn, der die Wohnung gehörte, bei einer Auktion bei Christie’s 185 000 Dollar dafür bezahlt hatte.
    Schweiß rann ihr über die Schläfen, als sie eine winzige Partikel festdrückte und schließlich erleichtert ausatmete. Sie schnallte sich die Doppellupe vom Kopf, blinkte sich den Schweiß aus den Augen und begutachtete ihr Werk haargenau.
    Einfach perfekt. Wunderschön. Puh! Erleichtert lehnte sie sich zurück. Der Rest war ein Kinderspiel. Sie musste nur …
    Das Telefon neben ihr surrte. Während sie noch die Dorfszene studierte, nahm sie ab.
    »Hallo?«
    »Guten Morgen, mein Liebes«, schnurrte eine fröhliche Stimme mit englischem Akzent. »Einen wunderschönen Tag wünsche ich. Es geht dir doch hoffentlich gut?«
    »Ja, danke, Geoff«, sagte sie schroff. Sie verzichtete bewusst darauf, sich nach seinem Befinden zu erkunden.
    Aber diese Art Begrüßung war er von seiner Tochter gewohnt und wie üblich ging er einfach darüber hinweg. »Die neuste Ausgabe der
Art News
müsste heute in der Post gewesen sein. Hast du schon einen Blick hineingeworfen?«
    »Nein, Geoff, noch nicht.« Warum sie es nicht über sich brachte, ihrem Vater zu gestehen, dass sie sich das Abonnement der
Art News
für 39,95 Dollar im Jahr nicht leisten konnte – zumal sie sie in der Bibliothek des Kunstmuseums von Seattle kostenlos lesen konnte –, das war ihr schon seit Längerem ein Rätsel. Schließlich war sie nur deshalb in Finanznöten, weil er auf so spektakuläre Weise ihr Leben ruiniert hatte.
    »Die Ausstellung?« In Gedanken war sie noch bei dem Utrillo.
    »Zudem bin ich überzeugt, dass ich nicht einfach übersehen wurde. Helen hat mich absichtlich ausgeschlossen. Sie hatte noch nie viel für mich übrig, weißt du?« Sie vernahm ein ganz leises Kichern. »Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum.«
    »Äh … Helen?«
    »Helen Hall-Duncan? Oberkuratorin am Bruce Museum? Greenwich, Connecticut?«
    »Ähmm …«
    »Hallo? Jemand zu Hause?«
    »Entschuldige, Geoff. Ich habe an etwas anderes gedacht.«
    »Am Bruce Museum«, wiederholte er geduldig. »Wir waren mal zusammen da, du und ich, als du noch ein kleiner Fratz von neun Jahren warst. Ich habe dich zu dieser reizenden Ausstellung mit lauter Hundebildern mitgenommen. Du warst ganz begeistert. Daran erinnerst du dich doch sicher noch.«
    Nein, tat sie nicht, aber Geoffrey London hatte seine kleine Tochter in so viele Museen mitgeschleppt, dass sie sie nicht mehr auseinanderhalten konnte. »So vage«, sagte sie. Sie hatte eigentlich sagen wollen, sie sei beschäftigt, und dann auflegen, aber jetzt war sie neugierig. »Also womit hat dich diese Hall-Duncan denn so verärgert?«
    »Verärgert? Mich? Nein, ganz und gar nicht. Ich wollte nur meine rechtschaffene Empörung ausdrücken, zu der ich, wieder du mir gewiss beipflichten wirst, allen Grund habe. Du weißt doch, dass dort eine neue Ausstellung eröffnet wurde?
Fälschungen und Imitationen – die Kunst der Täuschung.
«
    Sie erinnerte sich. Er hatte die Ausstellung eine Woche zuvor mal erwähnt. »M-hm. Und wo liegt das Problem?« Verdammt, sie hatte eine winzige Farbpartikel übersehen. Noch nicht richtig abgeblättert, eher ein ganz kleines Bläschen. Aber sie musste sie behandeln, bevor sie endgültig abblätterte. Sie wollte die Stelle nicht mit noch mehr Harzlösung tränken, aber wenn sie den Spatel wieder anwärmte …
    »Das Problem ist«, sagte er, »dass sie überhaupt kein Bild von mir haben! Nichts! Ich werde nicht mal erwähnt. Kannst du dir dasvorstellen? Meine
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