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Gefährliches Geheimnis

Gefährliches Geheimnis

Titel: Gefährliches Geheimnis
Autoren: Anne Perry
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besseres Leben zu ermöglichen. Die Familie Baruch war eine solche Familie.« Er atmete tief ein. »Sie nannten sich Beck. Drei Generationen später hatte das Enkelkind keine Ahnung, dass er jemals etwas anderes gewesen war als ein guter österreichischer Katholik.«
    Er sah Kristian an, der vor sich hinstarrte, sprachlose Ungläubigkeit im Gesicht, mit großen Augen, entsetzt, als löste sich seine Welt in Nichts auf.
    »Niemand weiß, was zwischen den beiden Frauen gesprochen wurde«, fuhr Monk fort. »Aber Elissa erfuhr, dass der Mann, den sie liebte und von dem sie angenommen hatte, er gehöre zu ihrem eigenen Volk, eigentlich ein Fremder war, obwohl er es nicht wusste.« Monk war sich bewusst, dass alle im Raum sich die Hälse verrenkten und ihn anstarrten.
    »Es war notwendig, gefährliche Nachrichten in verschiedene Teile der Stadt zu befördern, um andere revolutionäre Gruppen zu warnen«, fuhr Monk fort.
    »Hanna wurde dafür ausgewählt, weil sie die Straßen im jüdischen Viertel sehr gut kannte, weil sie mutig war, und vielleicht auch, weil sie dadurch, dass sie einem andern Volk angehörte, der Gruppe nicht so nahe stand. Vater Geissner erzählte mir, dass Dr. Beck sich hinterher schuldig fühlte, dass ihn die Sorglosigkeit, mit der sie Hanna für die Aufgabe bestimmt hatten, quälte. Wie es scheint, hat er mit ihm sowohl in der Beichte als auch außerhalb des Beichtstuhls darüber gesprochen.«
    Mills Augen ruhten auf ihm. Nicht einmal sah er zu Pendreigh oder zum Richter hinüber. »Fahren Sie fort«, drängte er. »Was geschah mit Hanna Jakob?«
    »Die andere Gruppe wurde von jemand anderem gewarnt«, sagte Monk leise. Ihm war bewusst, wie gepresst seine Stimme klang. »Und Hanna wurde an die Behörden verraten. Sie griffen sie auf und folterten sie zu Tode. Sie starb allein in einer Gasse, ohne ihre Landsleute verraten zu haben …«
    Ein Aufkeuchen ging durch den Raum. Das Gesicht einer Frau war nass vor Tränen. Jemand murmelte ein Gebet.
    »Von wem?«, fragte Mills heiser.
    »Elissa von Leibnitz«, antwortete Monk. Wieder schaute
    er zu Kristian hinüber und sah den Albtraum in dessen Gesicht. Er hatte es nicht gewusst. Niemand, der ihn ansah, konnte glauben, dass er es gewusst hatte.
    »Nein!« Max Niemann erhob sich mühsam. »Nein! Nicht Elissa!«, schluchzte er. »Das ist unmöglich!«
    Zwei Gerichtsdiener eilten zu ihm, aber er setzte sich wieder, bevor sie zu der Bankreihe kamen, in der er saß. Er sah aus wie ein Mann, vor dessen Füßen sich die Hölle aufgetan hat.
    Pendreigh hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten, er hielt sich an dem Tisch vor sich fest. Mit seinem blutleeren Gesicht und den dicken goldblonden Strähnen unter der weißen Perücke sah er aus wie ein blasser Lichtfleck. Er sprach mit zusammengebissenen Zähnen, und seine Stimme klang heiser.
    »Sie lügen, Sir. Auch ich würde gerne glauben, dass Dr. Beck unschuldig ist, und habe es bis zu diesem Augenblick auch getan. Aber ich lasse nicht zu, dass Sie die Erinnerung an meine Tochter schmähen, um ihn zu retten! Was Sie da andeuten, ist ungeheuerlich und kann nicht wahr sein.«
    »Es ist wahr«, antwortete Monk ruhig. Er verstand den Zorn, das Leugnen, den unglaublichen Schmerz, der zu unermesslich war, um ihn zu begreifen. »Niemand geht davon aus, dass sie wollte, dass Hanna stirbt«, sagte er leise. »Sie war sich sicher, Hanna würde die Namen viel früher preisgeben, und dann würde man sie laufen lassen, gedemütigt, aber unverletzt.« Das Atmen fiel ihm schwer, und er hatte Mühe, seine Gesichtszüge zu kontrollieren. Als er fortfuhr, war seine Stimme rau vor Schmerz.
    »Vielleicht war dies die größte Ungerechtigkeit, die Beleidigung! Sie war verraten worden, und doch starb sie, ohne ihren Folterern die Namen und den Aufenthaltsort
    ihrer Kameraden zu verraten.«
    Es herrschte Schweigen, die Männer und Frauen in dem großen Saal nahmen den Schmerz in sich auf. Nicht einmal Mills bewegte sich oder sagte etwas.
    Schließlich beugte der Richter sich vor. »Wollen Sie andeuten, dass dies für den Tod von Mrs. Beck von Bedeutung ist?«
    Monk wandte sich ihm zu. »Ja, Euer Ehren. Es ist offen- sichtlich, dass Dr. Beck von der schrecklichen Geschichte ebenso getroffen ist wie Herr Niemann und auch Mr. Pendreigh, aber in Wien gibt es Menschen, die von der Sache wussten und die Einzelheiten der Tragödie genauso zusammensetzen könnten wie ich. Deren Existenz erweckt doch sicher mehr als berechtigten Zweifel daran,
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