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Gefährlicher Fremder - Rice, L: Gefährlicher Fremder

Gefährlicher Fremder - Rice, L: Gefährlicher Fremder

Titel: Gefährlicher Fremder - Rice, L: Gefährlicher Fremder
Autoren: Lisa Marie Rice
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spielte.
    Er kannte dieses Wohnzimmer gut, so wie er alle Zimmer der riesigen Villa kannte. Er hatte sie stundenlang durchstreift. Er wusste, dass das große Wohnzimmer immer schwach nach Holzrauch aus dem riesigen Kamin roch. Er wusste, dass die Sofas tief und bequem waren und die Teppiche weich und dick.
    Er ging geradewegs zum Fenster. Der Schnee füllte bereits die Spuren, die seine Schuhe hinterlassen hatten. Niemand würde ihn sehen, niemand konnte ihn hören.
    Er war groß und vermochte über den Fenstersims hinwegzusehen, wenn er sich auf die Zehenspitzen stellte. Inzwischen war der Himmel fast vollständig dunkel.
    Das Wohnzimmer wirkte wie ein Gemälde. Hunderte von Kerzen flackerten überall – auf dem Kaminsims, auf sämtlichen Tischen. Auf dem Couchtisch standen die Überreste eines Festmahls: ein halber Schinken auf einem Brett, ein großer Laib Brot, eine überdimensionale Platte mit unterschiedlichen Käsesorten, verschiedene Torten, zwei Obstkuchen. Eine Teekanne, Tassen, Gläser, eine offene Flasche Wein, eine Flasche Whiskey.
    Ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Er hatte seit zwei Tagen nichts mehr gegessen. Sein leerer Magen schmerzte. Er konnte das Essen dort im Zimmer fast durch die Fensterscheiben hindurch riechen.
    Doch mit einem Schlag war jeglicher Gedanke ans Essen vergessen.
    Eine liebliche Stimme erklang, klar und rein. Sie sang ein Weihnachtslied, das er einmal in einem Einkaufszentrum gehört hatte, als er seinem Vater beim Betteln half. Irgendetwas über einen Hirtenjungen.
    Es war Carolines Stimme. Er hätte sie überall erkannt.
    Ein eisiger Windstoß fuhr durch den Garten und schleuderte ihm Graupel ins Gesicht. Doch er spürte es nicht einmal, als er seinen Kopf nun noch ein Stückchen höher über den Fenstersims schob.
    Da war sie! Wie immer stockte ihm der Atem, als er sie sah.
    Sie war so wunderschön, dass es ihn manchmal schmerzte, sie nur anzusehen. Als sie ihn im Asyl besuchte, hatte er es in den ersten Minuten vermieden, sie anzuschauen. Es war, als ob man in die Sonne blickte.
    Gierig beobachtete er sie, speicherte jede Sekunde in seinem Gedächtnis ab. Er erinnerte sich an jedes Wort, das sie je zu ihm gesprochen hatte, er hatte jedes Buch, das sie ihm gebracht hatte, wieder und wieder gelesen, er erinnerte sich an jedes Kleidungsstück, in dem er sie je gesehen hatte.
    Sie saß am Klavier und spielte. Er hatte noch nie jemanden tatsächlich Klavier spielen sehen, und es erschien ihm wie Zauberei. Ihre Finger bewegten sich anmutig über die schwarzen und weißen Tasten, und Musik entströmte ihnen wie Wasser einer Quelle. Sein Kopf war von diesem Wunder erfüllt.
    Er sah sie im Profil. Sie hatte die Augen während des Spielens geschlossen, und ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als ob sie und die Musik sich ein Geheimnis teilten. Sie sang jetzt ein anderes Lied, das sogar er erkannte: »Stille Nacht«. Ihre Stimme erhob sich rein und leicht.
    Das Klavier war groß und schwarz; an den Seiten steckten brennende Kerzen in glänzenden Messinghaltern.
    Obwohl der ganze Raum von Kerzen erfüllt war, strahlte Caroline heller als sie alle zusammen. Sie leuchtete von innen heraus; ihre blasse Haut glühte im Strahl des Kerzenscheins, während sie sang und spielte.
    Das Lied endete und sie ließ die Hände in den Schoß sinken. Dann sah sie lächelnd auf, als Beifall einsetzte, und begann ein anderes Weihnachtslied mit ihrer reinen, hohen Stimme zu singen.
    Die ganze Familie war versammelt. Mr Lake, ein hohes Tier in der Geschäftswelt, groß und blond. Er sah aus wie der König der Welt. Mrs Lake, unvorstellbar schön und elegant. Toby, Carolines siebenjähriger Bruder. Es war noch eine weitere Person anwesend, ein gut aussehender junger Mann. Er war elegant gekleidet, trug das dunkelblonde Haar glatt zurückgekämmt. Seine Finger klopften im Rhythmus des Liedes auf den Deckel des Klaviers. Als Caroline aufhörte zu spielen, beugte er sich hinab und gab ihr einen Kuss auf den Mund.
    Carolines Eltern lachten, und Toby schlug einen Purzelbaum auf dem großen Teppich.
    Caroline lächelte zu dem gut aussehenden jungen Mann empor und sagte etwas, das ihn zum Lachen brachte. Er beugte sich erneut herunter und küsste sie aufs Haar.
    Ben, der das alles beobachtete, blieb fast das Herz stehen.
    Das war Carolines Freund. Natürlich. Sie ähnelten einander sehr: gut aussehend, reich, gebildet. Sie waren vom gleichen Schlag. Es war eindeutig: Sie waren füreinander bestimmt.
    Sein Herz
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