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Gefaehrliche Versuchung

Gefaehrliche Versuchung

Titel: Gefaehrliche Versuchung
Autoren: Eileen Dreyer
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angefangen, nach Edwins Pfeife zu tanzen, Harry?«, wollte sie wissen und strich sich mit ihrer unverletzten Hand das Kleid glatt. »Schuldest du ihm etwas, oder brauchst du eine Beförderung?«
    »Ich arbeite nicht für Edwin«, antwortete er mit eisigem Tonfall. »Ich arbeite für die Regierung. Und ich habe das zweifelhafte Vergnügen, dich hierzubehalten, bis du uns einige Antworten geliefert hast. Wo ist er, Kate?«
    Sie hielt inne und ertappte sich dabei, wie sie wie ein Kind blinzelte. »Für die Regierung? Unsere Regierung?« Sie lachte und war wütend, weil das Lachen so schrill klang. »Das kannst du anderen weismachen, Harry.«
    Er trat bedrohlich einen Schritt auf sie zu. Seine Miene war wie versteinert, das Grün seiner Grenadiersuniform einschüchternd. »Ach, ich glaube, dass du ganz genau weißt, wovon ich spreche. Kurz bevor er starb, hat der Chirurg es uns gesagt. Du steckst mit den Löwen unter einer Decke. Hast du ihn, Kate? Hast du den Vers bei dir? Denn wenn du ihn hast, werden wir ihn finden.«
    »Den Vers?«, wiederholte sie und wich zurück. Dabei stieß sie gegen das Bett und fiel rücklings auf die Matratze. »Du meinst das Gedicht, nach dem wir überall wie nach einem Osterei suchen? Den Vers?«
    Er neigte nur leicht den Kopf.
    »Ich habe euren verdammten Vers nicht«, erwiderte sie knapp und fühlte sich noch immer erbärmlich überwältigt. Und dann wurde ihr der erneute Verrat bewusst. »Du glaubst dem Chirurgen? Einem Mann, dessen liebste Freizeitbeschäftigung es ist, Gedichte in die Stirn anderer Menschen zu ritzen? Bist du wahnsinnig?«
    »Nicht so wahnsinnig wie du, wenn du glaubst, dass ich noch einmal auf deine Geschichten hereinfallen könnte.«
    Rückwärts ging er zur Tür. Kate musste sich zusammenreißen, um ihn nicht anzuflehen, die Tür nicht hinter sich abzuschließen. In diesem Raum hatte sie das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Das Zimmer war voller Schatten und dunkler Ecken. Nur eine Kerze verdrängte die völlige Dunkelheit.
    »Nicht«, war alles, was sie hervorbrachte.
    Harry blieb stehen. Voller Verachtung zog er eine Augenbraue hoch, doch sie konnte nicht mehr sagen.
    »Was ist?«, fragte er. »Keine klugen Zitate? Kein Latein oder Griechisch oder Deutsch, Kate? Was ist los? Gibt es keine dummen Bauernjungen mehr, die du beeindrucken möchtest?«
    Wieder blinzelte sie. Das dachte er über sie? Das konnte nicht sein. Hatte er die Spielchen nicht genauso genossen und geliebt wie sie? Sie hatten früher Stunden damit zugebracht, sich gegenseitig mit geheimnisvollen Zitaten und komplizierten Flüchen in so vielen unterschiedlichen Sprachen wie nur möglich aufzuziehen.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich sehe hier ganz sicher niemanden, den ich beeindrucken möchte.«
    Sie erkannte Harry nicht wieder. Früher einmal hatte sie ihn gekannt. Er war ein offener, entspannter und bodenständiger Sohn der Erde gewesen, zu klug, um sein Leben ausschließlich der Landwirtschaft zu widmen. Früher einmal hatte sie ihn mit der Leidenschaft geliebt, die man nur bei der ersten Liebe empfinden konnte. Sie hatte in ihm den Helden gesehen, der sie vor den Plänen ihres Vaters retten sollte.
    Aber er hatte sie nicht gerettet. Er hatte sie verraten. Und im Laufe der vergangenen zehn Jahre war aus ihm dieser unversöhnliche, humorlose, boshafte Mann geworden.
    »Also dann, Durchlaucht«, sagte er, als wollte er ihre Meinung bestätigen. Seine Stimme klang scharf. »Du kannst es uns leicht oder schwer machen. Dein Gepäck wird durchsucht. Wenn wir den Vers dort nicht finden, wirst du überprüft. Du kannst entweder kooperieren oder nicht.« Er zuckte mit den Schultern. »Bis dahin kannst du dich als meine Gefangene betrachten.«
    »Ich habe dir schon gesagt«, erwiderte sie und erhob sich wie die todgeweihte Maria Stuart, »ich würde das Ding nicht einmal erkennen, wenn es zu mir kommen und mich zum Tanz auffordern würde. Und jetzt hör auf, dich wie ein Idiot zu benehmen, und lass mich gehen. Ich muss zurück zu Bea.«
    Sie ärgerte sich darüber, dass in ihrer Stimme ein leicht flehentlicher Unterton mitschwang. Sie richtete sich noch ein Stückchen weiter auf und trotzte dem erzürnten Fremden, den sie einst so gut gekannt hatte. Oder zumindest hatte sie geglaubt, ihn zu kennen.
    Er zuckte wieder mit den Schultern und drehte sich zur Tür um. »Nein.«
    »Du verstehst das nicht«, beharrte sie und machte einen Schritt auf ihn zu. »Bea kann nicht einfach allein gelassen werden. Sie ist
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