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Gefaehrliche Tiefen

Gefaehrliche Tiefen

Titel: Gefaehrliche Tiefen
Autoren: Pamela S. Beason
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mechanisch und gezwungen.
Beruhige dich
, sagte sie sich. Ein – Zischen. Aus – Blase, Blase, Blase.
Du hast es so gewollt.
    Sie richtete den Blick nach unten. Dan starrte zu ihr hinauf. Wieder musste er husten. Sams Computerdisplay blinkte – die technologische Entsprechung eines strengen Lehrers, der warnend den Finger hob. Sie war unten bei Dan gewesen, der Schildkröte nach oben hinterher geschwommen, dann wieder hinunter zu Dan und wieder rauf, dem Hai hinterher. Auf und ab. Etwas absolut Verbotenes. Sie ließ ein wenig Luft aus ihrer Tarierweste und sank langsam wieder nach unten, die Arme zu einer Art Unterwasser-Schulterzucken ausgestreckt. Vielleicht würde Dan sie einfach für eine überenthusiastische Fotografin halten. Falls ihre Finger zitterten, würde er das hoffentlich dem kalten Wasser zuschreiben. Ihr Computer zeigte zweiundzwanzig Grad an, was überraschend kalt war, wenn man sich dreißig Minuten im Wasser aufhielt.
    Wieder stiegen Blasen aus Dans Atemregler auf. Er wandte sich ab und glitt auf der Suche nach weiterem maritimem Leben über den algenbedeckten Meeresgrund hinweg. Sie folgte ihm, schwebte etwa einen Meter oberhalb der rauen schwarzen Lava dahin und bestaunte fasziniert einen rot-weißen Kissenstern und das psychedelische Farbspiel einer orangefarbenen Becherkoralle.
    Plötzlich fiel der Boden vor ihr steil ab, und sie befand sich über einer tiefen Kluft. Dan war unter ihr nur verschwommen zu erkennen, weil sich zwischen ihnen ein Schwarm winziger blauer Fische tummelte. Seine Luftblasen strömten zwischen den hin- und herjagenden Fischen langsam nach oben. Eine davon setzte sich vor ihrem rechten Auge an ihrer Maske fest und blieb dort wie ein Quecksilbertropfen hängen, bis Sam den Kopf abwandte. Dann rollte sie weiter und nahm ihre Reise an die Oberfläche wieder auf.
    Sam schwebte in einem blaugrünen Universum. Es fühlte sich großartig und furchterregend und unglaublich an, alles auf einmal. Ihr Manometer zeigte, dass sie noch 6,9 bar übrig hatte; sie atmete richtig, nicht zu schnell. Schwerelos glitt sie durch den flüssigen Leib von Mutter Erde, zusammen mit Fischen und Reptilien und … wozu gehörten eigentlich Seegurken? Zu den Stachelhäutern? Der Schwerpunkt ihres Wildtierbiologiestudiums waren Säugetiere gewesen – mit den Kaltblütlern musste sie sich noch einmal eingehend beschäftigen.
    Als Nächstes stieß sie auf einen einmalig schönen lilafarbenen Seefächer. An Land hätte sie gesagt, dass er zur Familie der Farne gehörte. Aber hier unten? Zu den Korallen? Sie war sich nicht sicher. Laut ihren Büchern gab es Korallen in allen möglichen Formen, Größen und Farben. Genau wie Schwämme. Die Identifizierung wurde noch dazu dadurch erschwert, dass andere Wesen sich als Pflanzen tarnten. Moostierchen? Sie wusste noch nicht, welcher Name zu welchem Tier gehörte. Oder ob es sich bei dem, worauf sie gerade starrte, überhaupt um ein solches handelte. Manche Meeresorganismen waren tatsächlich Tiere.
Irre.
    Sie waren inzwischen fast vierzig Minuten unten. Hatte Dan dem Bootsführer nicht gesagt, sie würden das Boot umrunden? Das hatten sie nicht getan. Wenn sie ihr Unterwasserorientierungssinn nicht völlig im Stich ließ, waren sie nicht sehr weit gekommen. Sollten sie nicht mehr schwimmen und mehr zählen? Unter ihr schwebte Dan, mit Schlagseite nach Steuerbord. Der Computer baumelte von seinem Handgelenk herab und bewegte sich leicht in der sanften Strömung. Dans Gesicht war nach unten gerichtet, und er rührte sich kaum. Sam tauchte zu ihm hinunter, um zu sehen, was ihn so faszinierte. Als sie nichts Interessantes entdecken konnte, klopfte sie ihm auf die Schulter. Er reagierte nicht, also zupfte sie ihn am Arm.
    Sein Körper drehte sich zu ihr wie eine Schaufensterpuppe. Seine Augen hinter der Gesichtsmaske waren stumpf, die Augenlider halb geschlossen. Sam formte das »Okay?«-Zeichen.
    Dan trieb teilnahmslos und ohne zu antworten vor sich hin.

2
    Dan schien fast schon bewusstlos zu sein, und er atmete kaum noch. Sam griff nach seinem Luftdruckmesser. Er zeigte fünfundfünfzig bar an, es war also noch genügend Sauerstoff vorhanden. Was zum Teufel stimmte da nicht? Sie deutete mit dem Daumen Richtung Wasseroberfläche. Sollten sie nach oben schwimmen? Dans halbgeschlossene Augen zeigten keine Reaktion. Sie tippte direkt vor seinen
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