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Gefährliche Freiheit

Gefährliche Freiheit

Titel: Gefährliche Freiheit
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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war?
    Luke sah die Poster wieder vor sich, hell und glänzend, mit in der Sonne leuchtenden Farben. Sie sahen nicht aus wie Plakate, die als Überbleibsel eines alten Regimes in einem staubigen Lagerraum herumgelegen hatten. Sie wirkten brandneu.
    Und wenn sie gar nicht der Bevölkerungspolizei gehört hatten? Wenn sie auf anderweitigen Befehl hergestellt worden waren? Zum Beispiel auf … Oscars?
    Lukes Griff um Jennys Hals lockerte sich. Sie schüttelte die Mähne und stupste ihn an, als wolle sie ihn ermuntern, weiter nachzudenken.
    »Vielleicht hat Oscar deshalb versucht, die Plakate unter Verschluss zu halten«, flüsterte Luke. »Vielleicht geht es ihm gar nicht um Beweise gegen die Bevölkerungspolizei. Vielleicht will er nur …«
    Betroffen ließ Luke die Arme sinken und taumelte rückwärts gegen die Boxenwand, mit solcher Wucht traf ihn die Erkenntnis.
    »O nein … nein … Was ist, wenn das der Köder ist, von dem Oscar gesprochen hat?«, rief er mit einer Stimme, die er selbst kaum wiedererkannte.
    Er erinnerte sich an die wenigen Satzfetzen, die er Krakenaur Oscar hatte zuflüstern hören, in jenem Teil der Unterhaltung, dem Luke nicht ganz hatte folgen können: »meine treuen Anhänger« und »treu Ihnen gegenüber«. Irgendein Zeichen, das Krakenaurs Anhänger dazu bewegen soll, ihre Treue auf Oscar zu übertragen.
    »Sie glauben fest an die Sache«, hatte Krakenaur gesagt. »Sie werden es verstehen.«
    Und was würden Krakenaurs Anhänger wohl besser verstehen als den Hass auf dritte Kinder?
    Von diesen schlimmen Erkenntnissen durchflutet, ließ sich Luke zu Boden sinken, bis er mit dem Kinn gegen die Knie stieß. Die letzten vierundzwanzig Stunden hatte er rein gar nichts verstanden; jetzt wollte er nichts mehr verstehen. Ihm war nur allzu klar, wie alles zusammenhing. Aldous Krakenaur war entmachtet worden, aber Oscar wollte, dass seine alte Gefolgschaft – die ehemalige Bevölkerungspolizei – stattdessen ihm ergeben war. Vielleicht glaubte er, das Land ohne sie nicht kontrollieren zu können. Deshalb war er bereit gewesen, mit Krakenaur zu verhandeln. Und so hatten sich die beiden auf ein Zeichen verständigt, das den Angehörigen der Bevölkerungspolizei signalisieren sollte, dass Oscar nicht gänzlich gegen sie war und dass er ihnen auch weiterhin gewisse Privilegien einräumen würde, wenn sie ihn im Gegenzug unterstützten. Und die Plakate konnten das bewirken; sie konnten die Männer davon überzeugen, dass auch Oscar Schattenkinder hasste.
    Tut er das?, fragte sich Luke. Glaubt er wirklich, dass dritte Kinder schuld daran sind, wenn andere hungern?
    Luke erinnerte sich daran, mit welcher Leichtigkeit Oscar über seine Herkunft gelogen hatte; wie er es geschafft hatte, sowohl Luke als auch Smits zu überzeugen, dass er auf ihrer Seite stand.
    Oscar ist alles egal, dachte Luke. Es interessiert ihn nicht, ob dritte Kinder der Feind sind oder nicht, solange es ihn nur voranbringt, schiebt er ihnen einfach die Schuld in die Schuhe. Er ist wie der Junge in Chiutza, der an nichts richtig glauben kann und der sich immer auf die Seite derjenigen schlägt, die ihm den Bauch füllen.
    Luke zupfte an dem Stroh unter seinen Füßen.
    Wahrscheinlich kommt ihm das alles nicht einmal real vor. Vermutlich ist es für ihn nur ein Mittel zum Zweck. Aber die Menschen, die darunter leiden werden, sind real.
    Jenny wieherte, als beunruhige es sie, Luke zusammengesunken im Mist hocken zu sehen.
    »Was kümmert es dich? Du bist bloß ein Pferd«, murmelte Luke. »Du wolltest nicht frei sein, nicht einmal, als ich dir die Boxentür aufgemacht habe. Aber ich will es. Ich wünsche mir die Freiheit, seit ich von Jen gelernt habe, was das ist. Und jetzt sind alle anderen frei, nur ich nicht. Dritte Kinder werden niemals frei sein.«
    Seine Verzweiflung verwandelte sich in Zorn und er kickte mit dem Fuß ins Stroh. Ein Placken Mist flog hoch und klatschte Jenny ans Bein. Wieder wieherte sie.
    »Ich weiß, ich weiß – es ist nicht deine Schuld. Tut mir leid, mein Mädchen«, entschuldigte sich Luke. »Aber was soll ich denn sonst tun?«
    Oscar aufhalten, sagte eine Stimme in seinem Kopf, als sei Jens Geist zurückgekehrt. Halte ihn auf, bevor er alles unter seine Kontrolle bringt.
    »Na klar, sicher doch. Und wie soll ich das anstellen?« Luke sah sich Oscar nachstellen, ihm auf die Schulter tippen und murmeln: He, macht es dir was aus, deine Anhänger mit irgendeinem anderen Köder anzulocken? In dieser
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