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Gefährlich nah

Titel: Gefährlich nah
Autoren: C. Bertelsmann
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Hier sagt mir ja keiner was«, fügte er in gespielter Empörung hinzu.
    Hazel lächelte und eilte zum Haus hinüber. Sobald sie die Haustür öffnete, hörte sie Weinen von oben. Nein, kein Weinen, sondern lautes Gebrüll. Sonst nichts. Keine Stimmen, keine Schritte, nur das Gebrüll eines sehr verzweifelten Babys.
    Das war seltsam, dachte sie, ließ ihre Tasche auf den Boden fallen und ging sofort nach oben. Sarah ließ Lucy eigentlich nie so schreien, sondern nahm sie normalerweise immer gleich beim ersten Muckser hoch. Sarah war eine typische Erstlings-Mutter, total überbesorgt. Hazel schob die Tür des Gästezimmers auf, wo ein Babybett für Lucys Besuche bereitstand.

    »Ach, Süße«, sagte Hazel und nahm ihre heulende Nichte hoch. »Wo ist denn deine Mami? Hört sie dich nicht? Schschsch, jaja. Alles wird gut.«
    Lucys Weinen ebbte langsam ab und ihre winzigen Finger streckten sich nach Hazels Kragen aus.
    »Hast du Hunger?«, fragte Hazel und küsste Lucy sanft auf die Stirn und tätschelte ihr den Rücken, wie sie es bei Sarah gesehen hatte. »Sollen wir mal nach deiner Mami suchen?«
    Sie ging nach unten, vorsichtig und leise, um Lucy nicht wieder zum Weinen zu bringen. Im Wohnzimmer war keiner und auch nicht in dem kleinen Zimmer nach hinten raus. Also mussten sie wohl in der Küche sein. Die Tür zur Küche stand halb offen, und zuerst dachte Hazel, dass sie auch dort nicht sein konnten. Es war so still. Aber als sie der Tür einen Schubs gab, sah sie ihre Schwester und ihre Mutter einander gegenüber am Tisch sitzen, ein Brief lag zwischen ihnen. Ein Brief, den ihre Mum rasch nahm und in ihrer Handtasche verstaute, sobald sie Hazel bemerkte.
    »Äh, ich hab Lucy runtergeholt«, sagte Hazel und schaute von ihrer Mutter zu Sarah. »Sie hat geweint.«
    »Wirklich?«, sagte Sarah abwesend.
    Sie stand auf, automatisch, so als würde sie schlafwandeln und nahm Lucy aus Hazels Armen.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte Hazel.
    »Natürlich«, sagte ihre Mutter betont fröhlich. »Warum?«
    »Ach nichts«, sagte Hazel.

    Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, weiterzubohren. Sie war es gewöhnt, dass die Mutter und Sarah ihre kleinen Geheimnisse hatten. Als Sarah schwanger war, war Mum die Erste gewesen, die es erfuhr. Sogar vor Gary! Ihre Nähe gründete sich auf eine Zeit, die lange zurücklag, bevor Hazel geboren wurde, bevor ihre Eltern sich kennengelernt hatten, es waren die sechs Jahre, die ihre Mutter und Sarah alleine gewesen waren. Eine Zeit, über die keine von beiden je viel sprach. Das war einfach kein Thema. Sarahs leiblicher Vater hatte sich vor langer Zeit aus dem Staub gemacht, und was ihre Familie anbetraf, so funktionierten sie ziemlich gut und waren ziemlich glücklich. Sarah und ihr Stiefvater verstanden sich gut. Aber wenn Sarah ein Problem hatte, dann wandte sie sich immer an Mum.
    Was war es wohl dieses Mal, fragte sich Hazel, während sie sich etwas zu trinken machte und es mit hoch in ihr Zimmer nahm. Etwas ziemlich Ernstes, ihren Gesichtern nach zu urteilen. Lucy? Nein, mit Lucy konnte es nichts zu tun haben. Lucy hatte prima ausgesehen - höchstens ein bisschen verstimmt. Gary? Wahrscheinlich nicht. Gary war viel zu relaxed, um jemals ein Problem zu haben! Geld? Das war bei Weitem die wahrscheinlichste Erklärung. Mal wieder Geldprobleme. Der eilig versteckte Brief war vermutlich Sarahs Kontoauszug oder irgendeine entsetzliche Geldforderung. Sarah konnte überhaupt nicht mit Geld umgehen. Vor allem für jemanden mit einem Abschluss in BWL!
    »Schluss jetzt!«, hatte Dad ihr erst letzten Monat gesagt,
als er herausgefunden hatte, dass Mum Sarahs Kfz-Steuern für sie bezahlt hatte. »Keine Geldgeschenke mehr!«
    Das hatte einen ordentlichen Streit heraufbeschworen, in dem ihre Mutter ihren Vater beschuldigt hatte, er wäre geizig gegenüber Sarah, weil sie nicht seine richtige Tochter wäre, was verrückt war, und ihre Mutter wusste es genau. Dad war pragmatisch, vorsichtig, aber nie, niemals geizig. Und schon gar nicht gegenüber Sarah. Als Sarah geheiratet hatte, war Dad es gewesen, der ihr die Anzahlung für ihr erstes Haus gegeben hatte. Wobei er dachte, sie würde sich für eine kleine Wohnung entscheiden. Aber nein, Sarah hatte ein Vier-Zimmer-Haus in der Nähe von Windermere gekauft und sich mit einem gewaltigen Kredit belastet, trotz Dads Warnungen, dass sie und Gary das nie abbezahlen konnten, solange sie noch die Schulden aus ihren Studienkrediten hatten. Ganz zu schweigen von
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