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Gefaehrlich begabt

Gefaehrlich begabt

Titel: Gefaehrlich begabt
Autoren: Simone Olmesdahl
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klingeln. Jemand muss ein Fenster öffnen«, rief der Mann und verschwand auf der Vorderseite des Hauses.
    Sebastian humpelte um eine Ecke. Blutig, verdreckt. Anna atmete aus. Er lebte! Der Stein, der vom Herzen auf den Boden krachte, musste ein Loch hineinschlagen. »Sebastian!«
    Er blickte hoch und riss die Augen auf. »Anna! Bleib, wo du bist!«
    Dasselbe hatte der Nachbar bereits gesagt, aber es half ihr nicht weiter. Die Zeit rann ihr durch die Finger.
    »Ich muss hier runter, ich springe jetzt auch«, sagte sie entschlossen.
    »Wage es nicht!« Sebastian erklomm ein Fenstersims und hangelte sich an der Hausfassade hoch. Sein linkes Bein gehorchte nur schwer.
    »Bist du verletzt?«, fragte sie überflüssigerweise.
    Sebastian biss die Zähne zusammen und kletterte weiter. Das Regenrohr und diverse Halterungen erleichterten ihm den Aufstieg. Er schaffte es bis in die dritte Etage und blickte sich Hilfe suchend um. Auf dem letzten Stück kam ihm der Dachvorsprung in die Quere.
    Irgendwo öffnete sich ein Fenster.
    »Anna, häng dich an die Dachrinne. Dann kann ich dich packen.«
    Sie biss sich auf die Lippe und überwand die Angst. Wenn die Leute ihr zur Rettung eilten, würde sie auf die Behörden warten müssen. Das Martinshorn kam näher. Anna schluckte die Übelkeit hinunter und klammerte sich an die Metallrinne, bevor sie ihren Körper vom Dach rutschen ließ.
    Adrenalin rauschte durch sie hindurch, beinahe ließ sie los. Sie fand keinen richtigen Halt, das Metall war rutschiger als die Dachziegel. Ihr Griff glitt bis zu den oberen Fingergliedern.
    Sebastian packte ihr Bein. »Reich mir eine Hand!«
    »Ich kann nicht. Wenn ich loslasse, falle ich.«
    »Zur Not hab ich dich an der Hose. Gib mir deine Hand, los.«
    Anna schloss die Augen und löste eine Hand von der Dachrinne.
    Es geschah. Die übrigen Finger trugen ihr Gewicht nicht, sie rutschte ab.
    Sebastian schnappte sich ihr Handgelenk und ließ das Bein los. Ein brutaler Ruck stauchte ihren Körper. Die Luft entwich ihren Lungen, als das Regenrohr, an dem sich Sebastian festhielt, laut quietschte. Es hielt.
    »Ich hab dich, alles gut.« Sebastian stieg mit ihr an der Hand baumelnd die Hausfassade hinab. Er stöhnte. Ein Stück weit über dem Boden, hielt er mit rasselndem Atem inne.
    »Anna, ich … Meine Hüfte …«
    Einen Herzschlag später glitt sie aus seiner Hand. Anna riss die Augen auf und verlagerte das Gewicht nach vorn. Sie schrie, als sich spitze Ästchen in die Handinnenflächen bohrten, die sie ausgebreitet hatte, um den Sturz abzufangen.
    Sebastian sprang von der Hausfassade und keuchte, als seine Füße den Asphalt berührten.
    Anna winselte und versuchte, sich aus der Hecke zu befreien. Ihre tauben Glieder zitterten. Sebastian reichte ihr die Hand und zog sie aus dem dornigen Grün. Sofort wandte er sich ab und humpelte zu Marla. Anna ließ sich auf den Boden der Einfahrt sinken und warf ihr einen sorgenvollen Blick zu. Sie verarbeitete nur langsam, was sie erlebt hatte.
    »Was ist mit dir?«, fragte Sebastian besorgt und kniete nieder.
    »Ich glaube, mein Schlüsselbein ist gebrochen«, antwortete sie schwach.
    Die Feuerwehr traf ein.
    »Wir müssen weg«, sagte Sebastian scharf. »Ich versuche, deinen Schmerz kurz zu lähmen, aber ich bin kein Heiler. Ich weiß nicht, ob das klappt.«
    Nach Sebastians Zauber richtete sich Marla auf und kämpfte tapfer gegen Schmerz an. Sebastian half Anna auf die Füße. Ihre Beine zitterten, sie schaffte es kaum, die Knie durchzudrücken.
    »So kommen wir nicht weit«, keuchte Sebastian, der sich auch nur mühsam vorwärtsschleppte.
    Sie schafften es immerhin zwei Häuser weiter. Wie durch ein Wunder versuchte niemand, sie aufzuhalten. In dem Zustand kamen sie wirklich nicht mehr weit. Nicht nur wegen der Verletzungen. Sie sahen aus, als wären sie gerade einem Kriegsgebiet entsprungen. Irgendjemand würde die Polizei rufen und das, wo sie soeben der Feuerwehr entkommen waren.
    »Dort drüben.« Sebastian deutete auf einen Geräteschuppen.
    Marla stöhnte, folgte ihm aber die zwanzig Meter durch den Garten. Anna bildete das Schlusslicht. Marla landete bäuchlings auf dem Rasen. Sebastian, der immer wieder verstohlene Blicke zu den Fenstern warf, half ihr rasch auf.
    Der Schuppen war nicht verschlossen und sie schlüpften hinein. Als Sebastian die Tür schloss und sie im Dunkeln standen, glitt Anna an der Holzwand entlang zu Boden.
    »Wir warten, bis es dunkel ist«, sagte Sebastian.
    Anna beschloss,
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