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Gefaehrlich begabt

Gefaehrlich begabt

Titel: Gefaehrlich begabt
Autoren: Simone Olmesdahl
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siegten die Fingerless. Sie gab sich einen Ruck und schob den Kopf durch die Dachluke. Übelkeit keimte beim Blick in die Tiefe auf. Sie befanden sich im vierten Stock, mindestens zwölf Meter über dem Asphalt der schäbigen Straße. Wie sollten sie es lebend hinunterschaffen? Sie war kein Meister im Klettern, würde abstürzen und sich das Genick brechen.
    Ein Blitz tauchte das Wohnzimmer in dunkles, violettes Licht. Plötzlich erinnerte sie sich an die Situation im Parkhaus. Sie hatte so etwas schon einmal geschafft. Der süße Moment, als Sebastian sie zum ersten Mal küsste, schoss ihr in den Kopf. Sie nahm all ihren Mut zusammen und griff nach dem oberen Fensterrahmen. Während sie sich die Dachluke hinaushangelte, schob Marla unerwartet kraftvoll nach. Mit einem Hops saß Anna auf den Dachpfannen. Marla kletterte hinterher und zog sie weiter aufs Dach. Ein dumpfer Knall drang nach draußen, etwas Schweres zerbarst im Haus. Die Scheibe riss.
    »Wohin?«, hauchte Anna. Schwindel befiel sie und sie bemühte sich, nicht in die Tiefe zu blicken.
    Der Regen hatte das Dach in eine Eisplatte verwandelt. Marla hielt inne und zog sich die Schuhe aus. Sie landeten schlitternd in der Dachrinne.
    »Zieh sie auch aus. Auf Socken hast du besseren Halt!«
    Vorsichtig schlüpfte Anna aus den Stiefeletten und ihre Strümpfe sogen sich mit Wasser voll.
    Marla sprang auf die Füße. Wie eine Katze huschte sie über das Dach. Gelenkig. Drahtig. Ihr Überlebenswille stachelte sie wahrscheinlich an. Anna atmete tief durch und bewegte sich vorsichtig über die Ziegel hinterher. Schritt für Schritt, auf wackligen Beinen. Marla glitt um einen Schornstein herum.
    »Bleib stehen, ich sehe nach, wo wir runterkommen«, rief sie heiser.
    Anna gehorchte und ging in die Hocke. Das Letzte, was sie gebrauchen konnten, war, dass jemand sie sah und die Feuerwehr oder Polizei benachrichtigte. Aber das Spektakel in der Dachgeschosswohnung musste doch ohnehin jemand mitkriegen, oder?
    Marla tastete sich langsam auf allen vieren bis zur Dachrinne vor. Einmal rutschte ihr Knie weg und Anna sog die kalte Luft zwischen den Zähnen ein. Ihr Herz gab es auf, vor Sorge ständig zu stottern. Möglicherweise würde es sonst irgendwann stehen bleiben.
    Marla kauerte über der Dachrinne und blickte in die Tiefe. Als sie sich zu ihr umwandte, sprach ihr Gesichtsausdruck Bände. Langsam tastete sich Marla an der Kante entlang um das Haus herum.
    »Keine Chance«, rief sie.
    »Und jetzt?« Ihre Stimme klang fremd. Kindlich.
    »Wir müssen springen.«
    Anna glaubte, sich verhört zu haben. Sie schüttelte heftig den Kopf. Ihr Gleichgewichtssinn strafte sie mit einem Wanken. Springen? Halleluja, sie konnte sich einen schöneren Tod vorstellen. Marla machte sich zum Absprung bereit.
    »Nein«, rief Anna, doch Marla drückte die Knie durch und sprang.
    Annas Herzschlag setzte aus. Sie hörte einen hässlichen Aufprall, der sie bis ins Mark erschütterte … O Gott!

41. Kapitel
    Glück im Unglück
    S ebastian sah nicht, ob seine Flüche trafen. Grelles Licht ergoss sich durch die kleine Wohnung und blendete ihn. Er durfte sich keine Verschnaufpause gönnen. Hatte er es wenigstens geschafft, Josh zu verwunden? Sein Körper durchzog Schmerz, er wand sich unter Qualen. Er glaubte, dass es ihn nicht lebensbedrohlich erwischt hatte. Ein neues Farbenmeer strahlte durchs Dachgeschoss, bunt wie ein Regenbogen. Bunten Dingen hatte er noch nie etwas abgewinnen können.
    Josh knurrte und sein Atem ging so schnell wie sein eigener. Seltsam, dass er es bei dem Krach wahrnahm. Wo waren Anna und Marla? Hatte sie ein Fluch getroffen? Plötzlich donnerte sein Zauber zurück. Im ersten Moment glaubte er, Josh hätte zur selben Zeit den gleichen Spruch verwendet. Aber als auch der zweite Fluch zurückschnellte, erkannte er den Grund. Josh nutzte einen Schildzauber. Er musste sich eine Hexengabe geangelt haben, denn Magier konnten ihn normalerweise nicht ausüben. Sebastian stellte die Attacken ein. Solange Josh den Zauber aufrechterhielt, konnte auch er nicht angreifen.
    Sein Bruder sah mitgenommen aus, er rang nach Atem. »Du bist so ein Idiot, Sebastian. Uns hätte die Welt gehören können. Uns beiden. Glaubst du wirklich, du kannst uns entkommen?«
    Sebastian schluckte die Antwort hinunter, sparte sich die Kraft. Er rechnete jede Sekunde damit, dass Josh den Schildzauber fallen ließ, um ihn zu töten. Die Worte dienten der Ablenkung, nichts weiter. Er kannte Josh und fiel nicht
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