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Gefaehrlich begabt

Gefaehrlich begabt

Titel: Gefaehrlich begabt
Autoren: Simone Olmesdahl
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glasklar, Sebastian hatte es richtig übel getroffen. Ein Haufen magischer und nichtmagischer Leute wollte seinen Kopf am Liebsten auf einem Silbertablett präsentiert bekommen. Unter anderem seine Familie.
    Dass sie die Pergamente nicht hatten an sich bringen können, ärgerte Anna am meisten. Wenn es einen Wahrheitsgehalt an Prophezeiungen gab, und den musste es geben, dann hatten sie ohne die verschollenen Handschriften kaum eine Chance.
    Sebastian sah das anders.
    Er wollte nicht daran glauben, dass Anna der Schlüssel zum Ziel war. Es machte ihm Angst. Nicht, dass es Anna keine Angst gemacht hätte, aber manchmal musste man den Tatsachen ins Auge blicken.
    Noch hatten sie sich keinen vernünftigen Plan zurechtgelegt. Zumindest aber kannte Sebastian einen Ort, an dem sie erst einmal sicher waren und in Ruhe ihre Vorgehensweise besprechen konnten. Pitschnass und bis auf die Haut durchgefroren, weil es mit zehn Grad verdammt kalt war, schaffte es Anna so gerade, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Sie wollte einfach nur schlafen. Sebastian hielt wieder ihre Hand, er hatte sie in den vergangenen zwei Tagen kaum losgelassen. Sie brauchte sie auch, krallte sich regelrecht an ihr fest.
    Sie trauten sich nicht, den Weg durch die Stadt zu wählen. Wenn jemand nach ihnen suchte, dann wohl zuerst in Köln. Also schlichen sie durch Nebenstraßen. Ohne Gepäck, die Waffen hatten sie selbstverständlich nicht mit ins Flugzeug nehmen dürfen.
    »Wir sind gleich da«, sagte Sebastian. Eine Regenperle tropfte von seiner Nasenspitze, bahnte sich einen Weg durch sein schönes Gesicht, bevor sie den Hals hinunterrann und sich zu den anderen in den Kragen sog.
    Nach wenigen Minuten erreichten sie ein Mehrfamilienhaus. Ein grauer Kasten, an dem selbst die Gardinen trist wirkten.
    »Wer wohnt hier?«, fragte Marla.
    »Dany. Bei ihr habe ich übernachtet, nachdem der Beirat euch einkassiert hat.«
    Die Beleuchtung im Treppenhaus ließ zu wünschen übrig. Die Birne der unteren Lampe zersprang, als Sebastian den Lichtschalter betätigte, und sie mussten sich bis zur Treppe vortasten. Es gab keine Fenster. Die ganze Gegend machte einen düsteren Eindruck, aber vielleicht konnte Anna nicht mehr objektiv urteilen. Schließlich war jetzt alles düster, oder?
    Sebastian führte sie die Treppe hinauf, Dany wohnte im Dachgeschoss. Die Stufen ächzten bei jedem Schritt und sie machte sich Sorgen, dass sie unter der Last nachgeben könnten. Sebastian ging in Angriffshaltung, jeder Muskel an seinem trainierten Körper spannte sich an. Eine Vorsichtsmaßnahme, hoffte Anna.
    »Erschreckt nicht, ich habe sie verflucht. Sie wird hier sein, denn ich habe ihr untersagt, das Haus zu verlassen.«
    Anna war es leid, dauernd in ausdruckslose und orientierungslose Augen zu blicken. Seit sich ihre Familie und Freunde unter Sebastians Zauber verabschiedet hatten, erinnerte sie jeder Verfluchte an den Moment. Auf dem Weg hierher hatte sie eine Menge verfluchte Gesichter ertragen müssen. Wie sonst hätten sie sich bis hierher durchschlagen sollen?
    Er steckte einen Schlüssel ins Schloss und begab sich in die Wohnung. »Wartet«, sagte er, als sich Anna an ihm vorbeischieben wollte. Er ging vor und checkte jeden Winkel, bevor sie das Zimmer betreten durften. »Alles klar, kein Feind da.«
    Marla schloss die Haustür.
    »Dany?«, rief Sebastian und huschte ins Wohnzimmer.
    Keine Antwort. Annas sensible Sinne schlugen laut Alarm.
    »Bleibt stehen«, herrschte Sebastian sie an.
    Anna ignorierte seinen Befehl. Wenn hier eine Gefahr lauerte, spielte es keine Rolle, ob sie wartete. Die Fingerless und der Beirat töteten sie vor der Tür genauso sicher wie in der Wohnung.
    In der nächsten Sekunde bereute Anna die Entscheidung. Ein weiteres Déjà-vu kratzte an ihrem Verstand, aber der gewohnte Schock blieb aus. Vielleicht gewöhnte man sich doch an den Anblick von Blut?
    Eine korpulente Frau lag in einer riesigen Blutlache auf dem Fußboden. Das Elixier des Lebens hatte sich in einen alten Perserteppich gesogen. Annas inzwischen geschultes Auge glitt zu ihrer Hand, ihr fehlte ein Finger. Entsetzt starrte Sebastian die Leiche an.
    »Ich glaube, die Nachricht ist für dich«, sagte Marla, die zum Wohnzimmertisch getreten war. Sie hielt einen Zettel in der Hand.
    Sebastian las die Zeilen und Anna erhaschte einen Blick darauf.
    Für den Fall, dass du ein Idiot bist und zurückkommst (was wir nicht glauben), solltest du eins wissen: Wir werden dich finden und wir
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