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Gebrauchsanweisung für die Welt

Gebrauchsanweisung für die Welt

Titel: Gebrauchsanweisung für die Welt
Autoren: Andreas Altmann
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kaufen sich einen »body bag«. Eine Umhängetasche haben sie im Sinn, aber einen Leichensack mit Reißverschluss verlangen sie. Die Liste der Peinlichkeiten wäre lang.
    Zurück zur Hymne auf die Welt und die Weltsprachen. Damit die Jungen auf den Geschmack kommen und auf weniger Verdummung hereinfallen als wir, muss noch auf etwas verwiesen werden, das jedes Mal, auch bei mir, die freien Radikalen lostritt: Wenn man in einem Buch vorne darüber informiert wird »Übersetzt aus dem Amerikanischen«. Man muss lange darüber nachdenken, ob es einen blöderen Satz gibt, mit mehr Hype und heißer Luft drin. Übrigens wissen die Amerikaner nichts von dieser Sprache, die angeblich die ihre ist. Als ich an der New York University studierte, studierte ich »English«, die Verkehrssprache in dieser ganz und gar amerikanischen Stadt.
    Das – Übersetzt aus dem Amerikanischen  – kommt mir so debil vor, wie wenn in einem Roman eines Leipziger Autors, der in Frankreich veröffentlicht wird, auf der dritten Seite stünde: »Traduit du saxon«, aus dem Sächsischen übersetzt. Von wegen. »Traduit de l’allemand« wird dastehen, ganz gleich, ob der Autor seinen Text in Niederbayern oder auf der Insel Helgoland (oder in Österreich!) geschrieben hat. Freilich wissen auch wir – wir, die mit weniger Hype auskommen –, dass zwischen dem Englisch, das in England, und jenem, das in Amerika gesprochen wird, kleinere Unterschiede bestehen. Ein paar Wörter, Betonungen, minimale grammatikalische Abweichungen. Nicht um ein Haar anders als zwischen dem Deutsch, das man im Süden, und dem, das man im Norden oder Westen oder Osten unseres Landes redet. Und trotzdem habe ich weder im tiefsten Redneck-Alabama noch auf der Waterkant einen Übersetzer benötigt. Keiner von ihnen sprach Amerikanisch. Irgendwie klang alles nach Englisch oder Deutsch. Ja, man braucht sich nur ein einziges Interview eines BBC-Reporters mit einem US-Staatsbürger anzuhören und kommt eiskalt zu dem Schluss: Die beiden sprechen dasselbe Idiom. Somit erlaube ich mir allen zuzurufen, die von der Welt etwas wissen wollen und sich darauf vorbereiten: Vergesst Amerikanisch, es ist unauffindbar. Schenkt die gewonnene Zeit lieber der englischen Sprache, sie ist weit und geheimnisvoll wie ein ganzer Erdteil.
    Gewiss: Wer fremde Sprachen spricht, steht fein da. Er riecht nach Internationalität, nach Neugierde, der Wind von geistig gut durchlüftet weht in seiner Nähe. Den Neid der Sprachlosen hat er sich wohl verdient. Denn er trägt in seinem Kopf ein Passepartout mit sich herum, das ihm Zugang – in alle Himmelsrichtungen – zu Gedanken, Gefühlen und sonst nie entdeckten Rätselhaftigkeiten erlaubt. Und: Ach, wie vielen Frauen kann man damit nähertreten? Ach, wie vielen Männern? Ach, wie viel Nähe können Sprachen zaubern, wie viel Heiterkeit und Wonnen verschenken?
    Ich weiß, andere sehen das anders, sagen wir, rustikaler. Wie mein Lieblingsfeind Paulo Coelho, der größte lebende Eso-Esel aller Zeiten. Er gab einmal in einem Interview zum Besten: »Rede mit dem Fremden, auch wenn du dessen Sprache nicht sprichst.« Also mit Händen und Füßen vor den Eingeborenen hin und her hüpfen? Plus Augenrollen, Ohrenwackeln und Zunge rausstrecken? Why not! Ich finde, irgendwie passt der Satz zu dem unermüdlichen Sülzeschmied. Auch seine Bücher scheinen mit allen vier Extremitäten geschrieben. Nie käme der Verdacht auf, dass ein Hirn als Schreibgerät zum Einsatz gekommen wäre.
    Natürlich kann keiner von uns verlangen, dass wir rasend begabt sind wie Jean-François Champollion, jener französische Wissenschaftler, der mit 31 die Hieroglyphen entzifferte, sich irgendwann in 36 oder 37 Sprachen ausdrücken konnte und mit 41 an Schwindsucht starb, der Krankheit der Genies. So schlage ich vor, dass ein Reisender immerhin zwei Wörter auswendig lernt. In all den Sprachen, die er nicht spricht. Die beiden sind weltweit hoch angesehen und gelten als untrügliches Zeichen zwischenmenschlicher Eleganz: »bitte« und »danke«.

Freundlichkeit
    Ich gehöre zu den Weicheiern, die sich vor Gewalt fürchten. Zudem heule ich etwa zwanzig Mal pro Tag einer Tugend hinterher, die verschwunden scheint. Oder nur noch als Restposten vorkommt, sporadisch, zufällig. So habe ich schon vor Jahren beschlossen, ihn, den Rest, zu retten, bescheidener formuliert, jenem kleinen Häuflein Verwegener beizutreten, die ohne sie, ohne diese schöne Tugend, nicht leben wollen, nein, nicht
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