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GB84: Roman (German Edition)

GB84: Roman (German Edition)

Titel: GB84: Roman (German Edition)
Autoren: David Peace
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versammelten sich die Truppen. Die Rote Garde skandierte laut:
    Scab, Scab, Scab

    Der Morgenchor der Sozialistischen Republik South Yorkshire.
    Noch eine Tasse Kaffee. Noch ein Aspirin –
    Terry Winters nahm Akten und Taschenrechner. Dann schloss er das Büro ab und ging den Flur entlang zum Fahrstuhl. Er fuhr in den neunten Stock zum Konferenzraum –
    Das Nationale Exekutivkomitee der National Union of Mineworkers
.
    Terry setzte sich zur Rechten des Präsidenten und hörte zu –
    Lancashire: »Das wird ungeheuerlich. Jetzt oder nie.«
    Nottinghamshire: »Wenn wir schon Scabs sind, Streikbrecher, bevor wir überhaupt angefangen haben, dann werden wir auch welche.«
    Yorkshire: »Wir sind auf dem Weg.«
    Sechs Stunden lang hörten Terry und der Präsident zu. Dann stand der Präsident mit zwei Briefen in der Hand auf –
    Nun waren sie an der Reihe, zuzuhören.
    Den Antrag aus Yorkshire in der einen Hand, den aus Schottland in der anderen –
    Der Präsident sprach über die heimlichen Treffen im Dezember zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden des NCB und der Premierministerin. Er sprach über deren Geheimpläne, die Kohle zu privatisieren. Über ihre heimlichen nuklearen, elektrischen Träume. Ihre geheimen schwarzen Listen –
    Ihre offenen, brutalen Ränke, um einen ganzen Industriezweig zu zerschlagen. Die
Geschichte
des Bergmanns. Die
Tradition
des Bergmanns. Das Erbe ihrer Väter und deren Väter –
    Das Geburtsrecht ihrer Kinder und deren Kinder –
    Die entscheidenden Schlachten, die zu schlagen waren. Den Krieg, der gewonnen werden musste.
    Der Antrag aus South Wales lag vor ihnen –
    »Es geht um alles«, sagte der Präsident. »Wir sind uns einig, dass wir kämpfen müssen. Wir haben bereits Überstunden verboten. Es geht hier nur um die Taktik.«
    Sie hörten zu und stimmten dann ab –
    Sie stimmten mit 23 zu 3 dafür, den Streik in den vorgesehenen Regionen nach Regel 41 gutzuheißen.
    Das war die einzige Abstimmung, die zählte –
    Das Votum für den Krieg
.
    Der Präsident legte eine Hand auf Terrys Schulter und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Terry nickte. Er nahm seine Akten und seinen Taschenrechner, ging in sein Büro zurück und machte die Tür hinter sich zu. Dann trat er ans Fenster. Er legte die Stirn an die Fensterscheibe –
    Terry hörte den Jubel von unten. Er schloss die Augen.
    Neil Fontaine erhält einen Anruf. Er holt den Mercedes aus der Tiefgarage und fährt vor das Claridge’s. Der Türsteher öffnet die hintere Wagentür –
    Der Jude steigt ein. Neil Fontaine schaut in den Rückspiegel. Der Jude streicht sich über den Schnurrbart und lächelt. »Chequers, bitte, Neil.«
    »Gewiss, Sir.«
    »Ohne Vorankündigung«, lacht der Jude. »Also, lassen Sie die Pferde laufen.«
    Neil Fontaine nickt. Er gibt Gas.
    Der Jude greift nach dem Autotelefon. Der Jude wählt und spricht. Er will die Welt wissen lassen, wohin er fährt.
    Neil beobachtet ihn im Rückspiegel. Der Jude spielt mit dem Schnurrbart. Er rutscht nach vorn, schaut zum Fenster hinaus. Er quatscht ins Telefon, macht den Mund erst zu, als der Mercedes fast am Ziel ist –
    Bei ihr
.
    Neil Fontaine bleibt vor den Toren stehen –
    Vor den Gewehren.
    Neil Fontaine lässt sein Fenster herunter –
    Der Wagen wird umstellt.
    »Mr. Stephen Sweet möchte zur Premierministerin«, sagt Neil.
    Der Beamte spricht in sein Funkgerät.
    Neil schaut in den Rückspiegel. Der Jude streicht sich nicht über den Bart, er lächelt nicht, telefoniert nicht. Der Jude in Nadelstreifen schwitzt.
    Der Beamte tritt vom Wagen zurück und weist in Richtung Tor –
    Das Tor öffnet sich.
    Neil startet den Wagen.
    »Na, hab ich doch gesagt, Neil«, meint der Jude lachend auf dem Rücksitz. »Ich werde erwartet.«
    Neil fährt langsam den Kiesweg entlang. Er hält vor dem Haupteingang.
    Ein Hilfslakai wartet dort und öffnet dem Juden die Tür des Mercedes. Der Lakai schlägt hinter ihm die Tür wieder zu.
    Die Premierministerin erscheint ganz in Blau. Der Jude strahlt. Die Premierministerin gerät in Verzückung. Arm in Arm verschwinden die beiden.
    »Wollen Sie vielleicht eine schriftliche Aufforderung?« fragt der Lakai. »Hinters Haus.«
    Neil startet den Wagen und stellt ihn in einer leeren Garage ab. Er bleibt im Wagen sitzen. Er riecht Abgase und hört Pfauen schreien.
    Terry Winters öffnete die Haustür seiner Dreizimmerwohnung in einem Vorort von Sheffield, South Yorkshire. Seine Familie schlief oben. Unten war alles dunkel. Terry
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