Garnet Lacey 05 - Das bisschen Flitterwochen
nicht vor, also könnt ihr alle aufhören, jetzt schon meine Beerdigung zu planen.«
Also ließen wir das Thema auf sich beruhen und unterhielten uns stattdessen über das Wetter und über unsere nächsten Pläne, nachdem sich nun die ganze Aufregung gelegt hatte. Schließlich kehrte Sebastian zu uns zurück, drückte kurz Mátyás’ Schulter und setzte sich wieder hin, ohne noch einmal auf das zu sprechen zu kommen, was ihn so sehr getroffen hatte.
William und Mátyás erklärten, dass sie genug Abenteuer erlebt hätten und bereit seien, nach Hause zu fahren. Sie boten uns an, dass wir den Weg gemeinsam im Konvoi zurücklegten, doch Sebastian hatte etwas anderes geplant. Er bat Mátyás, unseren alten Toyota nach Madison zurückzubringen, und zog aus der Manteltasche zwei Flugtickets.
»Paris«, las ich vor. »Bist du dir ganz sicher?«
»Wir müssen Ferien von unseren Flitterwochen machen«, erwiderte er mit einem matten Lächeln. »Das war das Einzige, das ich so kurzfristig noch arrangieren konnte. Es sei denn, du glaubst, dass wir von Göttern und Göttinnen verfolgt werden ...«
Ich war mir ziemlich sicher, dass ich nicht wieder diese Visionen haben würde, nachdem meine zweite Göttin mich verlassen hatte. Aber ich hatte mich auch mit der Tatsache angefreundet, dass mein Leben niemals »normal« sein würde. »Verfolgen wird man uns immer«, erwiderte ich. »Dann können wir es auch mit Stil machen.«
Apropos Stil: Ich war ein bisschen enttäuscht, als ich sah, welchen Ersatz Sebastian für unser Hotel aufgetrieben hatte. Das Hotel nannte sich Thunderbird, und das gesamte Gebäude war in einem bei den amerikanischen Ureinwohnern entlehnten und politisch völlig unkorrekten, absolut kitschigen Stil eingerichtet. Am Empfang standen sogar Totempfähle.
»Das ist nicht ganz so wie das Saint Paul«, murmelte ich bei diesem Anblick. Während der Pförtner eine Quittung ausdruckte und Schlüsselkarten für unser Zimmer bereitlegte, standen wir da, die Ellbogen auf die Theke gestützt.
»Irgendwie cool, findest du nicht?« Sebastian lächelte so breit, dass die Spitzen seiner Fangzähne zu sehen waren. »Wir hätten eigentlich sofort hierherkommen sollen, oder?«
»Ja, sicher«, sagte ich ein wenig verhalten, da ich mich für Kitsch nicht annähernd so begeistern konnte wie er. »Aber es ist ja nur eine Nacht, bis wir nach Paris fliegen können.« Das war etwas, worauf ich mich richtig freute.
Unser Zimmer war ein Anblick für sich. Ein riesiger Teppich mit wahllos zusammengewürfelten indianischen Symbolen bedeckte einen großen Teil des Fußbodens, an der Decke hing ein Wagenrad als Lampe, und an der Wand, an der das Bett stand, fand sich ein über alle Maßen verklärtes Gemälde eines Indianers auf seinem Pferd.
»Ist das hier echt?«, fragte ich, während ich meinen Koffer nahe dem Fernseher abstellte.
»Das ist einer dieser Orte, wo alles so völlig schlecht ist, dass es schon wieder gut ist«, versicherte Sebastian mir. Er zog die Jalousie vor dem Fenster hoch, das uns freie Sicht auf den Highway 494 bot. Wir konnten das Humphrey Terminal des Flughafens sehen, außerdem einen großen Bereich des Militärfriedhofs von Fort Snelling mit seinen exakt angeordneten weißen Grabsteinen.
»Tolle Aussicht«, meinte ich, nachdem ich mich zu ihm gestellt hatte. Personenwagen und Lastwagen, die Stoßstange an Stoßstange über den Highway schlichen. Ich seufzte leise. Wenigstens hatte es aufgehört zu schneien. Den Tag über war es eisig kalt gewesen, und am kristallklaren Himmel war nicht
eine einzige Wolke zu entdecken. Die Sonne schien so grell, dass mir die Augen wehtaten.
»Mir ist egal, was du denkst«, gab er zurück und ließ sich so aufs Bett fallen, dass er ein Stückchen in die Luft gefedert wurde. »Das ist ein cooles Hotel.«
»Ich möchte wissen, was Micah dazu sagen würde.« Micah war ein flüchtiger Bekannter, ein Dakota-Indianer und zufälligerweise auch noch die Verkörperung des Gottes Kojote, der für seine Tricks, Streiche und Betrügereien bekannt war.
Sebastian legte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Offenbar fiel ihm erst jetzt die Deckenlampe in Form eines Wagenrades auf, und er schnaubte amüsiert. »Machst du Witze? Wer könnte das hier wirklich ernst nehmen?«
Als ich Sebastian so daliegen sah, wie die schlanken Umrisse seines Körpers sich von der straff gespannten Tagesdecke abhoben, regte sich Lilith in mir und zuckte an meinen Nervenbahnen entlang.
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