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Ganz oder gar nicht (German Edition)

Ganz oder gar nicht (German Edition)

Titel: Ganz oder gar nicht (German Edition)
Autoren: Martin Häusler , Lothar Matthäus
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Widerstand unter den Fans nach dem Motto: Ein ehemaliger Bayern-Profi kann nicht den 1. FC Nürnberg trainieren.
    Möglicherweise war es dieser Druck, vor dem auch 1860 München Angst gehabt hat. 2008 wurde Miki Stevic Sportdirektor bei den Sechzigern. Er kannte meine Arbeit aus Belgrad und meinte zu mir, dass ich für ihn der perfekte Trainer für 1860 wäre. Er selber sei aber neu im Verein, er habe noch nicht die Lobby und müsse sich die Rückendeckung erst erarbeiten. »Lothar«, sagte er, »ich habe dich im Hinterkopf. Wenn ich mich irgendwann für einen anderen Trainer entscheiden muss, bist du der Erste, der es erfährt.« Ich war Trainer in Israel, als ich eines Abends noch einmal durch den Videotext zappte und lesen musste, dass 1860 München Ewald Lienen als neuen Chefcoach verpflichtet hat. Am nächsten Tag rief ich Stevic an und fragte ihn nicht ohne Ironie: »Na, habt ihr den Ewald Lienen verpflichtet?« Ich war nicht sauer, Stevic konnte verpflichten, wen er wollte. Aber auf diesen Anruf konnte ich nicht verzichten. »Du weißt doch, wie das ist, Lothar«, sagte er in etwa. »Das musste ganz schnell gehen, über Nacht.« Blablabla.
    Es wäre eine spannende Geschichte geworden. Ich bin mir sicher, dass es mit mir einen Ruck gegeben hätte bei 1860 München, weil so vieles gepasst hätte. Und ich bin der Überzeugung, dass sowohl Fans als auch Sponsoren gekommen wären. Aber Stevic hatte wohl noch nicht den Mut, sich an unser Gespräch zu erinnern. Ich verfolge 1860 München immer noch sehr genau. Dort wurde lange Zeit über alles diskutiert und geschrieben, nur nicht über Fußball. Ich würde dem Club und mir maximal fünf Jahre geben, um in der Ersten Bundesliga auf einen gesicherten Mittelfeldplatz zu kommen. Es wäre eine Win-Win-Situation für viele, den Verein, die Mannschaft, die Fans, die Investoren, die Sponsoren, den Trainer. Diese Aufbruchstimmung bei 1860 zu erzeugen, das hätte mich bisher am meisten gereizt.
    Und dann gab es da noch das unterschriftsreife Angebot eines namhaften Erstligisten. Um diskret zu sein und keine amtierenden Personen in Verlegenheit zu bringen, werde ich den Namen dieses Vereins nicht nennen. Dieser Verein steckte vor nicht allzu langer Zeit in einer tiefen Krise. Wenige Spieltage vor Saisonende stand das Team kurz vor dem Abstieg. Nach einer weiteren hohen Niederlage traf ich mich mit dem Präsidenten und einem Rechtsanwalt in Frankfurt. Es war ein tolles Gespräch. Wir sprachen über Verträge für die Erste und die Zweite Liga, über Zahlen, über Gestaltungsmöglichkeiten. Wir waren sehr klar, gingen um sechs Uhr auseinander und vereinbarten, dass ich mich bis zwölf Uhr nachts entscheiden sollte. Der Wechsel wäre schon am nächsten Tag erfolgt – hundertprozentig. Hätte ich bis Mitternacht zugesagt, hätte der Präsident morgens um neun den alten Trainer informiert. Traurig für ihn, sicherlich, aber aus Sicht des Präsidenten auch verständlich, dass man sich in größter Not nach einem Rettungsanker umschaut. Ich hätte um 10.30 Uhr den Flieger genommen, um 15 Uhr wäre die Pressekonferenz gewesen und um 16 Uhr das erste Training mit der Mannschaft. Am Tag darauf wäre es zum nächsten Auswärtsspiel gegangen.
    Nach dieser grundsätzlichen Einigung flog ich erst einmal zurück nach München und schaute mir ein Champions-League-Spiel des FC Bayern an. Ich konnte dem Spiel kaum folgen, so sehr schwirrte mir dieses Angebot im Kopf herum. Ich ging immer wieder das Restprogramm durch: auf dem Papier wirklich schwere Gegner. Konnte diese psychisch angeschlagene Mannschaft solche Brocken aus dem Weg räumen? Sie konnte. Heute ist man schlauer. Damals hielt ich aber eine Rettung kaum mehr für möglich. Und ich wollte partout nicht bei meiner ersten Trainerstation in Deutschland zuerst einmal absteigen. Selbst der Präsident hatte bei unserem Gespräch gesagt: »An Ihrer Stelle würde ich es nicht machen. Aber mit Ihnen sehe ich eine größere Chance, dass wir den Klassenerhalt doch noch hinbekommen.« Das ehrte mich zwar, aber was sollte ich tun?
    Der FC Bayern gewann an diesem Abend. Für mich das banale Begleitprogramm zu einer schwerwiegenden Entscheidungsfindung. Kurz vor Ultimo klingelte ich beim Präsidenten durch und meinte: »Wissen Sie was, ich bin bereit, für Ihren Club zu arbeiten. Aber erst ab der neuen Saison. Und dann auch in der Zweiten Liga, um mit Ihnen die Mannschaft wieder aufzubauen.« Wäre der Club abgestiegen, wäre ich
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