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Ganz oder gar nicht (German Edition)

Ganz oder gar nicht (German Edition)

Titel: Ganz oder gar nicht (German Edition)
Autoren: Martin Häusler , Lothar Matthäus
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wir diesmal beide keine Trikots, sondern Anzüge. Als Verbandspräsident gab er mir die Hand, und mein nächster Job war ausgemacht: Nationaltrainer.
    Ich wusste, dass Bulgariens Fußball ein Fußball der Vergangenheit war und nicht der Gegenwart. Man hatte keine Vereinserfolge, man hatte keine Sponsoren, man hatte keine Nachwuchsarbeit. Daher sagte ich von Anfang an, dass es ein fast unmögliches Unterfangen sei, sich – nach zwei Niederlagen vor meiner Zeit – noch für die Europameisterschaft 2012 zu qualifizieren. Ich sagte Bobby auch, dass bei dem Spielerpotenzial nicht viel zu erwarten wäre und man lieber längerfristig planen sollte, also eher für die WM 2014. Ich hatte vor, den bulgarischen Fußball komplett neu aufzubauen, und daher auch schon mit Matthias Sammer gesprochen. Von ihm hätte ich das Nachwuchskonzept des DFB zur Verfügung gestellt bekommen.
    Bis zur Sommerpause 2011 lief eigentlich alles ganz gut. Zum ersten Mal stand ich im November 2010 in Wales an der Seitenlinie. Die Premiere gewannen wir. Das nächste Heimspiel gegen die Schweiz und auch auswärts in Montenegro – das Heimspiel hatte mein Vorgänger noch verloren – spielten wir unentschieden. Fünf Punkte in drei Qualifikationsspielen, das konnte sich eigentlich sehen lassen. Dazu kam ein Sieg auf Zypern und ein 0:1 gegen Serbien, wobei wir eigentlich unser bestes Spiel machten. Dann die Sommerpause. In der muss irgendetwas passiert sein, aber ich weiß nicht, was. Die Spieler haben möglicherweise gemerkt, dass der Verband den Trainer nicht mehr stützte, dass ich nicht mehr die volle Deckung von ganz oben hatte.
    In Serbien wollten wir alle nur eines: Erfolg. Da war der Sportdirektor mein bester Freund. Er sprach kein Wort Englisch, kein Wort Deutsch, kein Wort Italienisch, nur Serbisch. Aber wir haben uns verstanden, es hat niemand gegen mich gearbeitet. Doch in Bulgarien hatte ich zuletzt das Gefühl, dass es nur noch gegeneinander ging. Ich hatte keine Chance mehr. Wir verloren ein erstes Freundschaftsspiel – unser schlechtestes Spiel – gegen Weißrussland. Doch das war nicht weiter schlimm. Auf diesem Trip wurde sogar mein Engagement per Handschlag um zwei Jahre verlängert. Michailov stellte sich vor die Presse und gab die weitere Zusammenarbeit bis zur WM 2014 bekannt. Er schickte mich sogar nach Brasilien zur Auslosung der Qualifikations-Gruppenspiele.
    Danach allerdings standen zwei Qualifikationsspiele an, zu Hause gegen England und in der Schweiz. Es sollten meine letzten sein für Bulgarien. Die Engländer schossen viermal aufs Tor und machten drei Tore. Wir schossen sechsmal aufs Tor und machten keines. Wir machten individuelle Fehler, die Engländer nicht. Ich glaube, man hat in Sofia gedacht, dass uns gegen die Engländer ein Wunder gelingen würde. Gegen die Schweiz haben wir dann wirklich schlecht gespielt. Der Hauptgrund: Einige Spieler hielten sich nicht an die ausgegebene Taktik. Mein Plan war, ganz tief zu stehen, die Räume eng zu machen und jede Möglichkeit zu nutzen, schnell zu kontern. Wir gingen auch in Führung, verloren aber – auch dank des Schwiegersohns des Präsidenten, der eine Gelb-Rote Karte sah – mit 1:3. Nein, da wurde mir einmal mehr klar, diese Generation hatte nichts mit Spielern wie Stoitschkow oder Balakov zu tun, die uns 1994 aus der WM geschossen hatten.
    Als sich Borislaw Michailow beim Diner nach dem Schweiz-Spiel nicht wie üblich an den Trainertisch setzte, sondern zu seinem Sohn, dem Torwart, merkte ich schon, dass da etwas nicht stimmte. Und richtig: Michailov meldete sich danach gar nicht mehr, und irgendwann bekam ich einen Anruf vom Pressesprecher der Bulgaren, dass mein Vertrag gekündigt sei und ich nicht mehr kommen müsse. Es war schon wieder passiert. Ich hatte etwas gesät, doch die Leute, die die Saat gießen sollten, drehten die Wasserhähne zu. Natürlich kann nicht so einfach eine Partei einseitig einen Vertrag kündigen, der noch läuft. Leider mussten wir uns daher wieder mit Rechtsanwälten auseinandersetzen, was ich fürchterlich finde. Denn nach meiner Auffassung ist Fußball Fairplay. Da steht man zu seinem Wort und kommuniziert nicht zum Schluss über Juristen. Wenn sich Ehrenmänner die Hand geben, dann hält man sich daran.
    Ich strebe in einem Verein immer nach dem größtmöglichen Vertrauen. Es ist die Grundlage, um etwas zu erreichen. Damit meine ich das Vertrauen zum Eigentümer, zum Präsidenten, zu allen bis hin zur Putzfrau. Ich möchte
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