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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman
Autoren: Anne Perry
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werden«, erwiderte er bescheiden. »Danke für Ihre Unterstützung, Mr. Orme.«
     
    Monk erreichte sein Haus an der Paradise Place in Rotherhithe vor sechs Uhr, was für seine Verhältnisse früh war. Nachdem die Fähre am Steg von Princes Stairs angelegt hatte, war er zügig zur Church Street marschiert, von der die Paradise Place nach einem scharfen Knick wegführte. Unterwegs hatte er sich die ganze Zeit geweigert, den Gedanken zuzulassen, dass Hester vielleicht gar nicht daheim war und er noch würde warten müssen, bis er ihr erzählen konnte, dass sie Phillips endlich erwischt hatten. Doch so dumm das auch von ihm war, er konnte diese Befürchtung einfach nicht aus seinem Bewusstsein bannen.
    Der Polizeiarzt hatte die Stichwunden genäht, die ihm Phillips am Arm und am Bein zugefügt hatte, und neben vielen blauen Flecken war er immer noch blutverschmiert und starrte vor Schmutz. Außerdem hatte er für seine Männer eine Flasche hervorragenden Brandy gekauft, die sie im Revier zusammen geleert hatten. Der Schnaps hatte keinem von ihnen geschadet, allerdings war ihm klar, dass er jetzt nach Alkohol roch. Der Gedanke an all das war freilich wie ausgelöscht, als sein Haus in Sicht kam; die letzten Meter legte er im Laufschritt zurück und sperrte auf.
    »Hester!«, rief er, noch bevor die Tür hinter ihm zufiel. »Hester?« Erst jetzt zog er die Möglichkeit in Betracht, dass sie tatsächlich noch unterwegs sein konnte. »Wir haben ihn!«
    Die Worte dröhnten in der Stille.
    Plötzlich ertönte im oberen Stockwerk ein Klappern, und Hester eilte die Treppe herunter. Ihr dichtes blondes und wie immer eigenwilliges Haar hatte sich zur Hälfte aus dem Knoten gelöst. Sie umarmte ihn mit aller Kraft, die, ihrer zierlichen Gestalt und den fehlenden Rundungen zum Trotz, beträchtlich war.
    Er wirbelte sie herum und küsste sie in dem Gefühl der Freude und Erleichterung über den plötzlichen Triumph des Glaubens an alles, was gut und richtig war.
    Ein Großteil seiner Euphorie speiste sich aber auch daraus, dass er Hester jetzt vielleicht endlich eine Rechtfertigung für ihren Glauben an ihn lieferte – ihren Glauben nicht nur an seine Fähigkeiten, sondern auch an seine Ehre, an seinen inneren Kern, der gut war und die Liebe wie einen Schatz hüten konnte.
    Und nicht zuletzt bedeutete Phillips’ Verhaftung auch, dass Durban ihm zu Recht vertraut hatte, was Monk, wie er jetzt erkannte, ebenfalls sehr wichtig war.

2
    Eines Abends, beinahe zwei Wochen nach Jericho Phillips’ Festnahme, kehrte Sir Oliver Rathbone etwas früher als sonst von seiner Kanzlei in den Inns of Court in sein äußerst gemütliches Heim zurück. Es war Mitte August, und die Luft stand heiß über der Stadt. Da war es viel angenehmer, in seinem eigenen Salon zu sitzen, den Blick durch die geöffnete Terrassentür auf den Rasen zu genießen und den Duft der spät blühenden Rosen einzuatmen, statt sich dem Gestank der Straßen, dem Schweiß und Mist der Pferde, dem Staub und Lärm auszusetzen.
    Margaret begrüßte ihn mit der Freude, die sie immer zeigte, seit sie vor kurzem geheiratet hatten. In einem Wirbel von blassgrünem und weißem Musselin kam sie die Treppe heruntergerauscht und wirkte trotz der Hitze unglaublich kühl. Sie küsste ihn sanft und verriet dabei immer noch eine Spur von Verlegenheit. Er selbst empfand großes Glück, das er sich lieber nicht anmerken ließ, weil das womöglich taktlos gewesen wäre.
    Beim Essen sprachen sie über eine neue Kunstausstellung, die sich als unerwartet umstritten erwiesen hatte, über die Abwesenheit der Königin mitten in der Londoner Saison wegen des Todes von Prinz Albert und über die Frage, was sich dadurch in Zukunft verändern würde, und natürlich über diesen unseligen Bürgerkrieg in Amerika.
    Die Konversation war hinreichend interessant, um Rathbone intellektuell zu reizen, und doch höchst angenehm. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so glücklich gewesen zu sein, und als er sich in sein Arbeitszimmer zurückzog, um ein paar wichtige Dokumente zu studieren, lächelte er unwillkürlich in sich hinein, einfach weil er Frieden in sich spürte.
    Allmählich brach die Abenddämmerung herein, und die Luft kühlte wohltuend ab. Dann klopfte unvermittelt der Butler an und teilte ihm mit, dass ihn sein Schwiegervater zu sprechen wünschte. Selbstverständlich ließ Rathbone ihn sofort zu sich kommen, auch wenn es ihn wunderte, dass Arthur Ballinger ausdrücklich ein Gespräch mit ihm
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