Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Galgenberg: Thriller (German Edition)

Galgenberg: Thriller (German Edition)

Titel: Galgenberg: Thriller (German Edition)
Autoren: Margie Orford
Vom Netzwerk:
am anderen Ende der Baustelle einschlug, trottete der Hund geradewegs zu der Narbe, die der Bulldozer gezogen hatte. Zum Teil waren die verfallenen Gebäude und das leer stehende Lagerhaus schon eingerissen worden. Mauern lehnten schief an Eisenträgern, und der Betonboden war in weiten Teilen aufgesprengt. Betonbrocken, die das graue Erdreich überdeckt hatten, lagen aufgehäuft am Zaun.
    Die knochendürre Jennie, deren feine Nase alles Essbare erschnüffelte, begann zu wühlen und Erde hinter sich in die Luft zu schleudern. Nichts Essbares. Sie wühlte tiefer. Etwas glänzte im Licht der Straßenlaterne.
    Sie löste es aus dem festen Griff der Erde. Erst ließ sie es zwischen ihre Pfoten fallen, dann trottete sie, den langen Knochen zwischen den Kiefern balancierend, Eva hinterher.
    Eva rollte ihr Bettzeug auf und ließ sich daraufsinken. Der Schmerz hatte erneut ihre Brust umklammert und schlängelte sich jetzt über ihren linken Arm abwärts. Sie trank den letzten Wein aus dem Pappkarton und hoffte, dass er stark genug war, um sie einschlafen zu lassen. Eva versuchte zu pfeifen, gab es aber wieder auf. Jennie kam trotzdem angetrottet und ließ sich auf ihre Decke fallen. Sie legte die Pfoten auf den Knochen und fing an, daran zu nagen.
    Der Knochen zersplitterte, aber es war kein Mark mehr darin. Dafür war er zu lang vergraben gewesen.
    Eva stöhnte.
    Jennie schluckte den Kalziumstaub und legte den Kopf schief.
    Wieder ein Stöhnen.
    Jennie ließ von ihrem Knochen ab, hockte sich neben Evas Kopf und leckte ihr Gesicht ab. Nichts. Jennie bellte einen kurzen, scharfen Notruf. Sie drückte die Schnauze in Evas Hand.
    Die dunklen Augen der Frau öffneten sich flatternd. Gelbe Flecken umringten die Pupillen. Tigeraugen. Tränen rannen über Evas Wangen. Sie zuckte einmal heftig mit den Füßen, dann blieb sie still liegen und hinterließ Jennie nichts als einen einzigen, sauren Atemzug auf der feuchten, sandigen Schnauze. Die Hündin legte sich neben ihr Frauchen, den Kopf auf die Pfoten gebettet, die gelben Augen unverwandt auf Evas Gesicht gerichtet.
    Die Frau bewegte sich nicht mehr.
    Jennie wartete. Dann leckte sie ihrem Frauchen abermals übers Gesicht. Nichts. Sie winselte. Trotzdem rührte sich nichts. Der Hund legte den Kopf in den Nacken und heulte.
    Der Wachmann stand am Eingang des Nebengebäudes und wartete darauf, dass sich seine Augen an das Halbdunkel gewöhnten. Die alte Frau war inmitten der in der Ecke aufgehäuften Säcke kaum zu erkennen, aber der Todesgeruch verfing sich in seiner Kehle. Jennie bleckte die Zähne und knurrte drohend. Der Nachtwächter trat einen Schritt zurück und zertrat dabei den Knochen, den die Hündin ausgegraben hatte. Das Krachen knallte durch die Stille. Die Hündin schoss an ihm vorbei. Als sich der Wachmann beruhigt hatte, rief er die Polizei.
    In der Ferne heulte eine Sirene.

Dienstag
8. Februar

2
    Sonnenaufgang im Bo-Kaap. Ein Imam rief die Gläubigen zum Gebet. Riedwaan Faizal stand mit nassen Haaren in der Tür, ein Handtuch um die Hüften geschlungen, in den Händen zwei unterschiedliche Kaffeebecher, und erwog die Alternativen. Die Frau unter seiner Bettdecke war nackt. Sich wieder zu ihr zu legen, hätte seine Vorteile. Normalerweise war sie im Halbschlaf zugänglicher.
    »Clare.«
    Keine Reaktion.
    Er stellte den Kaffee auf dem Nachttisch ab.
    Ohne die Augen aufzuschlagen, strich Clare Hart mit einer Hand über seinen Bauch und zog ihn ins Bett zurück. Es dauerte eine Weile, bevor sie sich zum Kaffeetrinken aufsetzte.
    »Bäh«, sagte sie. »Zucker.«
    »Das ist meiner«, erwiderte er.
    Sie tauschten.
    »Er ist kalt.«
    »Und wessen Schuld ist das?«, fragte Riedwaan.
    »Deine.« Sie grinste.
    Clare trank ihren Kaffee und sah ihm zu, während er sich anzog. Er brauchte nicht lang. Levi’s, ein weißes Hemd.
    »Es ist Viertel nach sechs«, sagte sie. »Wieso bist du so früh auf?«
    »Manche von uns müssen arbeiten.«
    »Sag mir die Wahrheit.«
    »Piet Mouton hat angerufen.« Riedwaan band sich die Schuhe.
    »Der Pathologe?«
    »Doktor Tod persönlich.« Er stand auf. »Eine Tote in Green Point, die ich mir seiner Meinung nach ansehen sollte.«
    »Du versuchst doch nur, dich vor dem Joggen zu drücken.«
    Riedwaan küsste sie in den Nacken. Er sammelte Zigaretten, Handy, Helm, Schlüssel und Jacke ein und verließ das Haus.
    In der Tafelbucht drängten sich die Containerschiffe, die dort Schutz vor den über das Kap peitschenden Sturmböen gesucht hatten.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher