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Galaxis Science Fiction Bd. 10

Galaxis Science Fiction Bd. 10

Titel: Galaxis Science Fiction Bd. 10
Autoren: Lothar (Hrsg.) Heinecke
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auszuliefern, die denkbar war – einer Umgebung, die ihre sorgfältig eingeimpfte Loyalität in Haß pervertierte und ihre sorgfältig ausbalancierte seelische Ausgeglichenheit innervöse Überempfindlichkeit.
    Ich konnte wirklich nicht sagen, ob das nun im Grunde sehr klug oder sehr dumm war, oder ob die oberste Führung diesem Problem schon gründlichere Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Was für mich auch viel entscheidender war, das war mein eigenes Problem, und das schien im Augenblick wirklich 
     
     



 
     
    bedrückend groß zu sein. Ich dachte an meine Einstellung diesen Männern gegenüber, bevor ich sie getroffen hatte, und Ekel über mich selbst beschlich mich. Aber der Gedanke gab mir eine Idee ein.
    »Heh, jetzt verratet mir mal etwas«, regte ich an. »Wie würdet ihr mich nennen?«
    Sie schauten mich verblüfft an.
    »Ihr wollt wissen, wie ich euch nenne«, erklärte ich. »Sagt mir erst, wie ihr Leute nennt wie mich – Leute, die geboren worden sind. Ihr müßt doch eure eigenen Spitznamen für uns haben.«
    Lamehd grinste. Seine Zähne waren ein glänzendes freudloses Weiß gegen seine dunkle Haut. »Realos«, sagte er. »Wir nennen euch Realos.«
    Dann kam der Chor der anderen. Es gab noch andere Namen, eine Menge anderer Namen. Sie wollten, daß ich sie alle hörte. Sie unterbrachen sich gegenseitig, spuckten mir die Worte entgegen als wären es Geschosse, mit denen sie mich treffen könnten. Sie hingen an meinem Gesicht, während sie sie ausspuckten, um zu sehen, wieviel Treffer sie erzielt hätten. Einige der Spitznamen waren lustig, manche davon ziemlich bösartig. Utie und Schößchen fand ich besonders bezaubernd.
    »In Ordnung«, sagte ich nach einer Weile. »Fühlt ihr euch jetzt besser?«
    Sie atmeten alle schwer, aber sie fühlten sich besser. Ich konnte es ihnen ansehen, und sie wußten das. Die Atmosphäre im Zimmer war plötzlich nicht mehr so drückend und haßerfüllt.
    »Zuerst«, sagte ich, »möchte ich, daß ihr euch klar macht, daß ihr alle, wie ihr da seid, große erwachsene Jungens seid und als solche selber auf euch aufpassen könnt. Von dieser Minute an, wenn wir zusammen in eine Bar oder ein Erholungsheim kommen und jemand von ungefähr eurem Rang sagt etwas, das euren scharfen Ohren so ähnlich wie Golem vorkommt, dann steht es euch frei, ihn euch zu schnappen und eine Abreibung zu verabreichen – wenn es euch gelingt. Wenn er ungefähr meinen Rang hat, dann werde aller Wahrscheinlichkeit nach ich diese Aufgabe übernehmen, einfach, weil ich ein sehr sensibler Kommandant bin. Und wenn ihr mal das Gefühl habt, daß ich euch nicht als hundertprozentige Menschen behandele, volles solares Bürgerrecht und so weiter, dann habt ihr jederzeit meine Erlaubnis, zu mir zu kommen und zu sagen: Jetzt hören Sie, Sie dreckiger Utie, Sir…«
    Die vier grinsten. Es war ein warmes Grinsen. Dann – sehr langsam – verblaßte es wieder, und ihre Augen wurden wieder kalt. Sie saßen vor einem Mann, der schließlich und endlich doch nur ein Außenseiter war.
    »So einfach ist es leider doch wieder nicht, Commander«, sagte Wang Hsi. »Unglücklicherweise. Sie können uns zwar einhundertprozentige Menschen nennen, aber wir sind es nicht. Und jeder, der uns Klopse oder Dosenfleisch schimpfen möchte, hat dazu ein gewisses Recht. Weil wir eben doch nicht so gut sind wie – wie ihr Muttersöhnchen, und das wissen wir auch. Und wir werden auch nie so gut werden. Niemals.«
    »Ich verstehe euch nicht«, wand ich mich. »Mein Gott, einige eurer Leistungstabellen…«
    »Leistungstabellen, Commander«, sagte Wang Hsi mit sanfter Stimme, »machen noch keine Menschen.«
    Und Weinstein zu seiner Rechten nickte, überlegte und sagte dann: »Noch einzelne Menschen eine Rasse.«
    ICH wußte, worauf sie anspielten. Und ich wäre nur zu gerne aus dem Zimmer gerannt, den Fahrstuhl hinunter und aus dem Gebäude, bevor jemand noch Gelegenheit hatte, ein weiteres Wort zu sagen. Das ist es, sagte ich zu mir. Jetzt bist du dran, mein Junge, jetzt bist du dran. Ich ertappte mich dabei, wie ich von einer Ecke des Tisches zur anderen rutschte. Ich stand auf und begann von neuem ruhelos hin und her zu laufen.
    Wang Hsi ließ mich nicht aus. Ich hätte wissen sollen, daß er das nicht tun würde. »Soldatenersatz«, fuhr er fort und kniff dabei die Augen zusammen, als würde er das Wort zum ersten Male näher betrachten, »Soldatenersatz, aber keine Soldaten. Soldaten sind Männer. Und wir, Commander, sind
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