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Gaelen Foley - Knight 04

Gaelen Foley - Knight 04

Titel: Gaelen Foley - Knight 04
Autoren: Prinz der Nacht
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dann die erste Droschke an- gehalten, die um die Ecke von St. James Square gebogen war, wo das prächtige Haus der Knights am Green Park stand.
    „Haben Sie einen Penny für mich, Ma’am?“
    Die leise, furchtsame Stimme riss sie aus ihren Gedanken, und als Jacinda von ihren Papieren aufsah, erfasste sie Mit- leid.
    Vor ihr stand der zerlumpte Bettlerjunge, der sich vorhin ans Feuer geschlichen hatte. Das Kind schaute sie beschwö- rend an und streckte ihr hoffnungsvoll eine dünne, schmut- zige Hand hin. Sie schätzte es auf etwa neun Jahre. Seine Augen waren braun und groß und erinnerten sie an einen Welpen, und sein Gesicht war dreckverschmiert. Schmutzi- ge Kleidung, nur wenig mehr als Lumpen, bedeckte kaum seine knochige Gestalt, die an eine Vogelscheuche erinnerte. Der Kleine war barfuß. Jacindas Herz krampfte sich zusam- men.
    Armer kleiner Kerl.
    „Bitte, Ma’am?“ Der Mitleid erregende kleine Bursche warf einen furchtsamen Blick über die Schulter auf den Fahrkartenverkäufer, als wenn er Angst hätte, dass der ihn bemerken und hinauswerfen würde.
    „Natürlich, mein Lieber“, murmelte Jacinda und öffnete ihre Tasche. Rasch zog sie ihre beschämend dicke Börse her- vor und wählte drei schimmernde Goldguineen aus – und dann noch eine vierte. Mehr konnte sie angesichts der lan- gen und teuren Reise nach Frankreich, die vor ihr lag, nicht entbehren.
    Mit großen Augen starrte der Junge auf den schimmern- den Schatz in ihrer Hand, griff aber nicht zu, als könne er nicht glauben, dass sie es ernst meinte.
    Ihr Blick wurde sanft. Das Kind war eindeutig nicht an Freundlichkeit gewöhnt. Sie ließ die Linke mit der Geldbör- se sinken und streckte ihm die Rechte mit den Münzen hin.

„Komm schon, nimm sie“, sagte sie freundlich, „du kannst ruhig ...“
    In dem Moment schoss seine schmutzige Hand vor und packte ihre Geldbörse. Im Nu flitzte der Junge aus dem Vor- raum, die Beute fest an seine Brust gepresst. Jacinda blieb vor Verblüffung der Mund offen stehen. Eine Sekunde lang stand sie wie erstarrt da, mit nichts als den vier Goldmün- zen in der Hand, die sie ihm hatte schenken wollen. Dann packte sie die Wut.
    „Haltet den Dieb!“
    Niemand schenkte ihr auch nur die geringste Beachtung, und das schockierte sie fast noch mehr als der Diebstahl. Ihre Augen verengten sich zu wütenden Schlitzen. „Na gut“, murmelte sie. Dann fasste sie ihre Tasche fester, damit die ihr nicht auch noch gestohlen wurde, und raste los, um den kleinen Schuft dann eben selbst zu verfolgen. Sobald Jacinda an die kalte Aprilluft kam, sah sie den Jungen über den Hof hetzen.
    „Du da! Bleib sofort stehen!“
    Triumphierendes Gelächter war die einzige Reaktion, als er um die Ecke des Gebäudes bog und außer Sicht war. Er war schnell wie ein Fuchs und offenbar daran gewöhnt, um sein Leben laufen zu müssen. Jacinda hob den Saum ihrer Röcke und machte sich an die Verfolgung über den steinigen Hof, aber sie hätte genauso gut barfuß sein können, so we- nig Schutz boten ihr ihre dünnen Schühchen gegen die scharfen Steine. Im Nu waren ihre Tanzschuhe durchge- weicht und kaputt.
    Als Nächstes rutschte ihr die Haube, deren Bänder sie ge- löst hatte, vom Kopf und glitt den Rücken hinunter, aber das war ihr egal. Jacinda ließ sie liegen, wo sie hingefallen war, und rannte um die Mauerecke. In ihrer Börse befand sich ein Vermögen. Ohne das konnte sie ihre Pläne vergessen.
    Sie sah den Jungen vor sich die Drury Lane entlanglaufen. „Komm sofort zurück, du frecher Bengel!“ Im letzten Mo- ment wich sie einer herankommenden Kutsche aus, ohne den Jungen aus den Augen zu lassen. Sie rannte, so schnell sie nur konnte, und bei jedem Schritt schlug ihr die Tasche in die Seite.
    Frech wie Oskar warf der Dieb einen Blick über die Schul- ter und erkannte, dass Jacinda aufholte. Um seine Verfolge-

rin abzuschütteln, bog er in eine dunkle Seitenstraße ab, aber Jacinda ließ sich dadurch nicht abschrecken. Ohne ei- nen Gedanken an die Gefahr zu verschwenden, folgte sie ihm tiefer und tiefer in ein Gewirr dunkler Gassen und ver- schlungener Wege, denn mittlerweile hatte sie der Ehrgeiz gepackt: Hier ging es um ihren Stolz. Sie würde es nicht zu- lassen, dass ein mickriger Straßenjunge sie ausraubte. Nicht nach dem Abend, den sie hinter sich hatte.
    Dieselbe wilde Entschlossenheit trieb sie vorwärts, die ihr auch schon einen guten Ruf als Sportlerin bei der Fuchsjagd eingebracht hatte, und Jacinda stürmte
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