Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gabriel Labert

Gabriel Labert

Titel: Gabriel Labert
Autoren: Alexandre Dumas
Vom Netzwerk:
ab‹, sagte ich.
    ›Es ist wahr‹, murmelte er.
    Und er zog seine Halsbinde ab.
    ›Gott befohlen, Rossignol‹, wiederholte er.
    ›Gott befohlen, Herr Lambert; Mut, Mut! Ich schließe die Augen, um das nicht zu sehen.‹ Es war in der Tat furchtbar anzuschauen. Zehn Minuten hielt ich die Augen geschlossen, aber nichts deutete mir an, daß etwas geschah.
    Ich öffnete sie wieder. Er hatte immer noch seinen Hals in der Schlinge; seine Gesichtsfarbe war nicht mehr die eines Menschen, sondern einer Leiche.
    ›Nun?‹ fragte ich.
    Er stieß einen Seufzer aus.
    ›Der Vater Chiverny!‹ rief ich, indem ich die Augen wieder schloß und eine Bewegung machte, durch die, glaube ich, das Scheit umfi el. ›Herbei, zu Hi…‹, versuchte Lambert zu rufen, aber die Stimme erlosch. Ich fühlte, daß krampfhafte Bewegung den Baum zittern machte, dann hörte ich etwas wie ein Röcheln.
    Nach einer Minute war alles ruhig und still.
    Ich wagte nicht, mich zu rühren, ich wagte nicht, die Augen zu öffnen, ich hatte den Aufseher, Sie wissen, den Vater Chiverny, auf mich zukommen sehen, ich hörte das Geräusch von Tritten; endlich fühlte ich, daß man mir einen gewaltigen Fußtritt in die Seite gab.
    ›Was gibt es, ihr Burschen?‹ rief ich, indem ich mich umdrehte und mich stellte, als erwachte ich. ›Was es gibt? Dein Kamerad hat sich erhängt, während du schläfst, Taugenichts!‹ ›Welcher Kamerad?‹ sagte ich, als ob ich gar nicht wüßte, was vorgefallen war.
    Haben Sie je einen Gehenkten gesehen, Herr Dumas? Das ist sehr häßlich! Gabriel war besonders abscheulich. Es ist anzunehmen, daß er sich sehr zerarbeitet hatte, denn er war ganz entstellt.
    Es scheint, mein Gesicht drückte ein solches Erstaunen aus, daß man an meine Unwissenheit glaubte.
    Überdies durchsuchte man die Taschen Gabriels und fand darin das kleine Papier, das mich völlig entlastete. Man nahm den Leichnam herab, legte ihn auf eine Bahre und brachte uns beide in das Krankenhaus. Dann meldete man den Vorfall dem Inspektor.
    Während dieser Zeit blieb ich bei dem Körper meines Gefährten, an den ich gekettet war.
    Nach einer Viertelstunde kam der Inspektor; er untersuchte den Leichnam, hörte den Bericht des Vaters Chiverny und befragte mich.
    Dann faßte er seine ganze Weisheit zusammen, um sein Urteil zu fällen, und sprach: ›Den einen auf den Kirchhof, den anderen ins Gefängnis.‹
    ›Aber, Herr Inspektor!‹ rief ich.
    ›Auf vierzehn Tage‹, sagte er.
    Ich schwieg. Ich hatte Bange, eine Verdoppelung der Strafe herbeizuführen, was gewöhnlich geschieht, wenn man reklamiert.
    Man öffnete die Kette und führte mich in den Kerker, wo ich vierzehn Tage blieb. Als ich herauskam, fesselte man mich mit einem hübschen Jungen zusammen, den Sie nicht kennen; er sprach wenigstens.
    Dies, Herr Dumas, sind die Begebenheiten, die ich Ihnen achtungsvoll mitteilen wollte, in der Überzeugung, sie müßten Ihnen interessant sein. Ist es mir gelungen, Ihren Beifall zu finden, so bitte ich Sie, unserem guten Doktor Lauvergne zu schreiben, er möge mir in Ihrem Auftrag ein Pfund Tabak geben.
    Ich habe die Ehre zu sein mit tiefster Verehrung, mein Herr, Ihr gehorsamster, untertänigster Diener Bossignol, wohnhaft in Toulon.«
     

17. Kapitel
Protokoll
     
    Im Oktober  kam ich wieder durch Toulon.
    Ich hatte die seltsame Geschichte von Gabriel Lambert nicht vergessen, und ich war neugierig zu erfahren, ob sich die Dinge wirklich so ereignet hatten, wie es mir mein Korrespondent Rossignol geschrieben. Aus diesem Grund wollte ich dem Hafenkommandanten einen Besuch abstatten. Leider war ein anderer an seine Stelle getreten, ohne daß ich etwas davon wußte.
    Sein Nachfolger nahm mich nichtsdestoweniger vortrefflich auf, und als er mich im Verlauf des Gesprächs fragte, ob er mir in irgend etwas dienen könnte, gestand ich ihm, mein Besuch sei nicht ganz uneigennützig, und ich wünsche zu wissen, was aus Sträfling Gabriel Lambert geworden wäre.
    Er ließ sogleich seinen Sekretär rufen; es war dies ein junger Mann, den er ein Jahr zuvor nach Toulon mitgebracht hatte.
    »Mein lieber Herr Durand«, sagte er zu ihm, »erkundigen Sie sich, ob Gabriel Lambert immer noch hier ist; dann kommen Sie zurück und teilen uns mit, was er macht.«
    Der junge Mann entfernte sich und kam nach zehn Minuten mit einem offenen Register zurück.
    »Mein Herr«, sagte er zu mir, »wenn Sie sich die Mühe geben wollen, diese paar Zeilen zu lesen, so werden Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher