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Gabriel Labert

Gabriel Labert

Titel: Gabriel Labert
Autoren: Alexandre Dumas
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denken und dafür sorgen, daß ich das Gewünschte bekäme.
Als ich am nächsten Morgen mein Fenster öffnete, erblickte ich zwanzig Schritt unter mir eine reizende Barke, die sich am Ufer schaukelte. Sie war mit zwölf Galeerensklaven bemannt, aber gleichzeitig auch mit einem Segel versehen.
Ich dachte mir, das wäre gerade die Barke, wie ich eine brauchte, da sah ich auch schon den Aufseher, sobald er mich erblickte, seinen Kahn anlegen lassen, an das Ufer springen und auf die Tür meiner Bastide zuschreiten.
Ich ging dem ehrenwerten Besuch entgegen.
Er zog ein Schreiben aus seiner Tasche und übergab es mir.
Es war in folgenden Worten abgefaßt:
     
    »Mein lieber Metaphysiker!
Da man die Dichter nicht von ihrem Beruf abwendig machen muß und da Sie sich über den Ihrigen, wie es scheint, bis jetzt getäuscht haben, so schicke ich Ihnen die gewünschte Barke; Sie können die ganze Zeit, die Sie in Toulon wohnen werden, vom Öffnen bis zum Schließen des Hafens darüber verfügen.
Sollten Ihre Augen, zuweilen müde, den Himmel zu betrachten, versucht sein, wieder auf die Erde herabzusteigen, so finden Sie um sich her zwölf Burschen, die Sie leicht und durch ihren Anblick allein vom Idealen zur Wirklichkeit zurückführen werden.
Es versteht sich von selbst, daß Sie vor ihnen weder Ihre Juwelen noch Ihr Geld zeigen dürfen.
Das Fleisch ist schwach, wie Sie wissen, und da ein altes Sprichwort sagt, man solle Gott nicht versuchen, darf man noch viel weniger den Menschen versuchen, besonders wenn dieser Mensch schon einmal der Versuchung erlegen ist.
Ganz der Ihre«
    Ich rief Jadin und teilte ihm unser Glück mit. Zu meinem großen Erstaunen nahm er die Kunde nicht mit der Begeisterung auf, die ich erwartet hatte; die Gesellschaft, in der wir leben sollten, kam ihm ein wenig gemischt vor.
Da er jedoch nach einem flüchtigen Blick, den er auf unsere Mannschaft geworfen hatte, unter den roten Mützen, mit denen sie geschmückt waren, einige charakteristische Köpfe bemerkte, faßte er philosophisch seinen Entschluß, gab unseren neuen Dienern durch ein Zeichen zu verstehen, sie sollten sich nicht rühren, trug einen Stuhl zum Strand, nahm Papier und Kohle und begann eine Skizze von der Barke und ihrer furchtbaren Mannschaft.
Diese zwölf Männer, die hier ruhig, sanft und gehorsam unserer Befehle harrten und ihnen zuvorzukommen suchten, hatten in der Tat jeder ein Verbrechen begangen:
    Die einen waren Diebe,
die anderen waren Brandstifter,
die dritten waren Mörder.
Die menschliche Gerechtigkeit hatte sich ihrer bemächtigt; es waren ihrer Ehre benommene, gebrandmarkte, von der Welt abgeschnittene Wesen. Es waren keine Menschen mehr, sondern Dinge; sie hatten keine Namen mehr, es waren Nummern. Vereinigt bildeten sie eine Gesamtheit; diese Gesamtheit war das schändliche Ding, das man Bagno nennt.
Der Hafenkommandant hatte mir offenbar ein seltsames Geschenk gemacht.
Und dennoch war es mir nicht unangenehm, diese Menschen von nahem zu sehen, Menschen, deren Titel allein, in einem Salon ausgesprochen, Schrecken verbreitet.
Ich näherte mich ihnen, sie standen auf und nahmen ihre Mützen ab.
»Meine Freunde«, sagte ich, »ihr wißt, daß euch der Hafenkommandant für die ganze Zeit, die ich in Toulon bleiben werde, zu meiner Verfügung gestellt hat?«
Keiner von ihnen antwortete, weder durch ein Wort noch durch eine Gebärde. »Ich hoffe, ich werde mit euch zufrieden sein«, fuhr ich fort, »ihr aber, seid unbesorgt, werdet auch mit mir zufrieden sein.«
Dasselbe Stillschweigen.
Ich begriff, daß dies eine Sache der Disziplin war.
Ich holte einige Geldstücke aus der Tasche und bot sie ihnen mit der Bemerkung an, sie möchten damit auf meine Gesundheit trinken, doch nicht eine Hand streckte sich aus, um sie zu nehmen.
»Es ist ihnen verboten, etwas anzunehmen«, sagte der Aufseher.
»Und warum das?« fragte ich.
»Sie dürfen kein Geld besitzen.«
»Aber Sie – können Sie ihnen nicht erlauben, ein Glas Wein zu trinken, bis wir bereit sind?«
    »Aber natürlich!« »Nun, so lassen Sie ein Frühstück aus der Schenke des Forts holen, ich werde bezahlen.«
»Ich sagte es schon dem Kommandanten«, versetzte der Aufseher, mit einer und derselben Bewegung den Kopf und die Schultern schüttelnd, »ich sagte es schon, Sie würden sie mir verderben. Doch da sie in Ihrem Dienste stehen, müssen sie wohl tun, was Sie wollen. Vorwärts, Gabriel; im Fort Lamalgue holst du Brot, Wein und ein Stück Käse.«
»Ich bin im Bagno,
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