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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau
Autoren: D Zinßmeister
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eine schallende Ohrfeige zu geben, als die alte ihn verfluchte. Ein Jahr lang war Käthe nicht mehr auf dem Gehöft der Hofmeisters erschienen. Die Mutter hatte die Kinder mit Essen und Brennholz zu ihr geschickt. Erst die Verlockung, am Schlachttag ein ordentliches Stück Fleisch mit nach Hause nehmen zu können, ließ Käthe die angst vor dem Bauern im folgenden Winter vergessen. allerdings vermied sie die unmittelbare Begegnung mit dem alten Hofmeister. Der duldete sie zwar trotz des Zwischenfalls, bedachte sie aber hin und wieder mit einem bösen Blick.
     
    Als Käthe merkte, dass sie anna Maria auch dieses Mal kein Versprechen entlocken konnte, zog sie ihr schwarzes Kopftuch tiefer in die Stirn und ging zu den Knechten hinüber in der Hoffnung, etwas vom Schnaps abzubekommen.
    Nachdenklich schaute das Mädchen der Frau hinterher. Im Herzen tat die Tante der jungen anna Maria leid. Käthe hatte niemanden, der sich um sie sorgte. Sie lebte allein in einem zerfallenen Haus am Rande des Mehlbachs, der dem Ort seinen Namen gab. Selten ließ sich Käthe im Dorf blicken, nur sobald geschlachtet wurde, konnte man sie auf vielen Bauernhöfen der
näheren Umgebung antreffen. Mitleidig steckten ihr die Bäuerinnen gepökeltes Fleisch für die kalten Tage zu.
    Von der Mutter wusste anna Maria, dass Käthe in jungen Jahren mit einem feschen Burschen aus der Nachbarschaft verlobt gewesen war. Doch als er eines Tages fortging und nicht mehr zurückkam, war Käthe dem Gespött der Leute ausgesetzt gewesen. Man hatte ihr voller Häme vorgeworfen, dass sie den Burschen mit ihrem ewigen Gezeter verscheucht hätte. Tatsächlich war Käthe kein einfacher Mensch, und ihretwegen hatte es manchen Streit in der Familie gegeben. Trotzdem leugnete sie jahrelang, dass ihre Verlobung aufgelöst worden war. Stattdessen behauptete sie stur, ihr Bräutigam würde eines Tages zurückkehren. Doch die Jahre gingen dahin. Käthe wurde alt, einsam und verbittert.
     
    Das Kläffen der Hofhunde, die sich um einen Knochen stritten, lenkte anna Maria von ihren Gedanken ab. Ihr arm schmerzte vom Rühren, deshalb sah sie sich nach ihrem nur wenig jüngeren Bruder Matthias um. Er sollte sie ablösen, doch sie konnte ihn nirgends entdecken.
    »Jakob, weißt du, wo Matthias ist?« Der Bruder blickte scheu zum Vater und schüttelte kaum merklich den Kopf.
    »Er soll mich ablösen, mein arm schmerzt«, fügte anna Maria hinzu, doch statt einer antwort trat der Vater an den Topf und steckte den Finger in die dunkle, heiße Masse.
    »Nehmt den Topf vom Feuer«, befahl er seinen beiden Kindern und leckte sich die dickflüssige, braune Masse vom Finger. »Und du, anna Maria, sag der Mutter, dass ich Hunger habe. Sie soll mir von dem Schweinehirn für die morgige Brotzeit etwas aufheben, bevor die Gäste alles auffressen.«
     
    Würziger Bratengeruch empfing das Mädchen in der Waschküche, wo mehrere Frauen vor Hitze und anstrengung schwitzten.
Mit scharfen Wiegemessern zerkleinerten die beiden Mägde Lena und Hilde Fleischstücke, um später mit der Masse die Därme zu stopfen. Die Leber der Schweine wurde zu einem Brei zerschnitten und gewürzt. Gemeinsam hatten die Mutter und Lena bereits die Hälfte der Innereien in heißem Fett gebraten und mit gedünsteten Zwiebeln und ausgelassenem Speck abgeschmeckt. anna Maria wiederholte, was der Vater ihr aufgetragen hatte, und die Mutter nickte.
    »Dann stell schon einmal Teller und Becher auf den Tisch. Das Essen ist bald fertig«, wies sie die Tochter an, während sie das Brot aufschnitt.
    Im Nebenraum war bereits einen Tag zuvor ein großer, langer Tisch aufgebaut worden, an dem alle Platz finden würden.
    Kaum stand der letzte Becher, kamen der Bauer, seine Söhne und Helfer, sowie das Gesinde und die Gäste herein. alle sprachen laut durcheinander, bis die gefüllten Schüsseln und Krüge mit kühlem Wein auf dem Tisch standen. Dann kehrte Ruhe ein. Nach einem kurzen Tischgebet langten alle kräftig zu. Zwischen zwei Bissen vom Schweineherz bemerkte ein Bauer aus der Nachbarschaft: »Ich vermisse deinen Sohn Matthias, Hofmeister. Wo steckt er denn?«
    Plötzlich herrschte Stille am Tisch, und jeder schien auf die antwort des Bauern zu warten. anna Maria sah, wie die Hand der Mutter leicht zitterte, als diese ein Stück Brot zum Mund führte.
    »Er ist unterwegs, um …«
    »Was schlägst du mich?«, schrie Nikolaus auf und rieb sich den Hinterkopf.
    »Ich brauche keinen Grund. Du hast immer Schläge
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