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Fundort Jannowitzbrücke

Fundort Jannowitzbrücke

Titel: Fundort Jannowitzbrücke
Autoren: Stefan Holtkötter
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sich zu ihm um und begrüßte ihn mit einem Lächeln.
    »Da bist du ja«, sagte sie. »Wie geht es Barbara Nowack?«
    Michael kam gerade aus dem Krankenhaus, er hatte den Notarztwagen begleitet. Erst nachdem abzusehen war, daß es wahrscheinlich keine Komplikationen mehr geben würde, hatte er das Krankenhaus verlassen und war in die Keithstraße gefahren.
    »Die Ärzte sagen, daß sie eine akute Nervenkrise hatte«, sagte er. »So etwas kann als Folgezustand intensiven emotionalen Stresses auftreten.«
    »Bedeutet das, sie war nur bedingt zurechnungsfähig?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Für die Situation bestimmt. Und ich hoffe, daß es ihr im Verfahren weiterhilft. Aber es wird schwierig werden, denn schließlich hat sie die Tat akribisch geplant.«
    Anke nickte. »Und was ist mit ihrer Hand?«
    »Die Operation ist gut verlaufen. Wenn sie Glück hat, wird sie ihre Hand von leichten Einschränkungen abgesehen wieder wie vorher bewegen können.«
    Michael hatte nur eine Sekunde gezögert, bevor er ihr die Pistole aus der Hand geschossen hatte. Sie wollte auf Tobias Wink schießen, das stand außer Frage. Selbst als sie danach am Boden lag, versuchte sie weiterhin mit der unversehrten Hand nach der Waffe zu greifen. Er hatte ihr Handschellen anlegen müssen.
    Sie hatte sich von seinen Lügen nicht beirren lassen und weiterhin alles versucht, um ihren Plan zu Ende zu bringen. Letztlich stand er allein mit seinen wackeligen Überzeugungen. Und im tiefsten Innern hatte er die Frage noch immer nicht für sich beantwortet, ob er Barbaras Entscheidung, Wink zu töten, nicht hätte respektieren sollen.
    »Du hast richtig gehandelt«, sagte Anke, als hätte sie seinen Gedanken lesen können.
    Er sah sie zunächst überrascht an, dann lächelte er ihr zu.
    »Stell dir vor«, sagte sie. »Wolfgang hat dich sogar gelobt. Wahrscheinlich wirst du deinen Namen am Montag im Kurier lesen können.«
    Er schüttelte belustigt den Kopf. »Na, da habe ich ja etwas, worauf ich mich freuen kann.«
    Er stellte sich neben Anke und sah ebenfalls in den Vernehmungsraum. Tobias Wink saß mit herabhängenden Schultern am Tisch. Seine Wunden waren inzwischen versorgt worden, sein Gesicht war voller Pflaster. Wolfgang saß ihm gegenüber am Tisch, starrte Wink an und sprach monoton auf ihn ein. Links und rechts von ihm saßen zwei weitere Beamte, die an der Vernehmung teilnahmen und ebenfalls unzufriedene Gesichter machten.
    »Und wie läuft es?« fragte Michael seine Kollegin.
    Anke zuckte mit den Schultern. »Während der ersten Stunde hat er gar nichts gesagt. Er hat nur dagesessen und vor sich hin gestarrt. Doch irgendwann ist er dann mürbe geworden. Zwar hat er nicht zu sprechen begonnen, doch er hat mit gelegentlichem Kopfnicken und einsilbigen Antworten an der Befragung teilgenommen.«
    »Streitet er denn die Taten ab?«
    »Nein, das nicht«, sagte sie. »Aber mehr war noch nicht aus ihm herauszuholen. Vor einer guten Stunde wurde er dann ganz lebendig. Wolfgang wollte etwas über seine Familie wissen und hat damit wohl einen wunden Punkt getroffen.«
    »Laß mich raten. Sie sind an allem schuld.«
    »Natürlich sind sie es«, sagte Anke lächelnd. »Sein gewalttätiger Vater, seine saufende und prügelnde Mutter, die Demütigungen, Vernachlässigungen. Er meint, daß sie aus ihm das gemacht haben, was er ist. Er ist also das Opfer, aus ihm hätte schließlich gar nichts mehr werden können.«
    Michael gähnte. »Sie haben ihn dazu gemacht. Und jetzt kann er sich eigentlich nur noch umbringen.«
    Anke konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. »Du bist gut. Das hat er tatsächlich gesagt.«
    »Aber die Selbstmordabsicht ist nicht ernst gemeint, oder?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich schätze ihn nicht als suizidal ein. Das gehörte wohl zu seinem Selbstmitleid, in das er versunken ist.«
    Er nickte und betrachtete das Gesicht des Jungen. »Hat er Jacqueline über Olaf Nowack kennengelernt?«
    »Ja«, sagte Anke. »Sie wohnte ja nur einen Block von der Baustelle entfernt. Sie mußte Olaf zwangsläufig begegnen. Und so hat auch Wink sie kennengelernt.«
    Es kam Bewegung in das Vernehmungszimmer. Wolfgang stoppte das Tonband, einer der Beamten stand auf und öffnete die Tür. Michael glaubte im ersten Moment, sie seien zu laut gewesen und hätten sie gestört. Doch offenbar unterbrachen sie die Vernehmung nur für eine Pause.
    »Ich werde kurz hineingehen und Wolfgang wegen Barbara Nowack Bescheid geben«, sagte er und ließ Anke im
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