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Fürchte dich nicht!

Fürchte dich nicht!

Titel: Fürchte dich nicht!
Autoren: Grafit
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offizielle Konferenz beginnt morgen. Die meisten Regierungschefs reisen allerdings schon heute an. Sie essen in ihren Hotels zu Abend und treffen sich anschließend zu Kamingesprächen.«
    Geis schaute auf seine Uhr. »Also bleiben uns rund sieben Stunden.«
    »Wozu?«
    »Einen oder mehrere der Beteiligten zu identifizieren. Es muss uns gelingen, eine Verbindung zu Lange herzustellen. Er ist der Kopf des Ganzen. Erst wenn wir ihn festnageln können, sind wir auf der sicheren Seite.«
    Schöning schnaubte. »Du bist wahnsinnig, Martin!« Sie schluckte. »Entschuldige, so war das nicht gemeint.«
    »Schon gut.«
    »Du verlangst von mir, dass ich alles aufs Spiel setze, wofür ich die letzten zwanzig Jahre gearbeitet habe. Wenn du dich irrst, wenn diese Schafe an einer harmlosen Schafskrankheit leiden …« Sie schüttelte ihre roten Locken. »Verdammt noch mal, Martin, du hast dieses Virus im Kopf. Ich sollte dir misstrauen und nicht Lange.«
    »Ich bekomme regelmäßig meine Spritzen. Du hast gesehen, wie ich im Krankenhaus war. Inzwischen bin ich wieder der alte. Fast.«
    »Trotzdem. Ich würde gegen sämtliche Regeln verstoßen.« Sie drehte den Kopf weg. »Scheiße! Das ist nicht fair.«
    »Wenn du nicht mitmachst, versuche ich es alleine.«
    »Du hast nicht die geringste Chance, überhaupt nach Norderney zu kommen.«
    »Kann schon sein.«
    »Okay.« Als sie ihm das Gesicht zuwandte, glitzerte Wasser in ihren Augen. »Wie gehen wir vor?«
    »Zu zweit schaffen wir es auch nicht. Gibt es ein paar Leute in der Sonderkommission, denen du absolut vertraust?«
    Sie nickte.
    »Die sollten wir ins Boot holen. Viola wartet übrigens in Norddeich. Du hast doch nichts dagegen, dass sie mitkommt?«

     
    Das Meer war ruhig. Sie saßen schweigend im Heck des kleinen Polizeibootes. Unter dem Vorwand, Geis und Viola würden als Zeugen benötigt, hatte Schöning Ausweise besorgt, die zum Betreten der Insel berechtigten. Jetzt konnten sie nur hoffen, dass sie bei ihrer Ankunft auf Norderney weder Goronek noch Lange über den Weg laufen würden.
    Geis hatte gelogen. Er war noch längst nicht wieder der alte, in ihm tobte ein heftiger Kampf zwischen Euphorie und Resignation, das Einzige, was die Antikörper-Spritzen bewirkten, war die Fähigkeit, nach außen kontrolliert zu erscheinen. Viel intensiver als vor der Infektion empfand er die Gefühle der Menschen in seiner Nähe. Er spürte Violas ruhige Entschlossenheit. Und Schönings Verzagtheit, die mit jeder Minute zunahm, in der sie sich der Insel näherten.
    Die Hauptkommissarin zuckte zusammen, als er ihre Hand drückte.
    »Wir schaffen es«, schrie er gegen den Motorenlärm an. Der Spruch war albern, wie aus einer Fernsehwerbung. Und doch schien er ihm in diesem Moment richtig.

    Sie lächelte. »Wieso vertraust du eigentlich mir?«
    »Weil du Angst hast.«
    »Das ist eine saudumme Begründung.«
    »Nein. Sei froh, dass es so ist.«

     
    Zu acht hatten sie sich um den Küchentisch versammelt. Drei Männer und eine Frau aus Schönings Gruppe, Viola, Schöning, Geis und Britta Hartweg. Geis hatte Britta vom Hafen aus angerufen, ihr in Kurzform geschildert, um was es ging, und sie gebeten, den Schlüssel seiner alten Dienstwohnung zu besorgen, der in der Norderneyer Polizeistation lag. Insgeheim hatte er gehofft, dass sie ihre Unterstützung anbieten würde, und genau so war es auch gekommen.
    Die Luft in der Wohnung roch muffig und klebte unangenehm auf der Haut, seit seinem Weggang hatte niemand gelüftet. Noch bedrückender erschien Geis die Atmosphäre, die seelenlose Ansammlung von Gegenständen, die sein ehemaliges Zuhause beherrschte. Wie hatte er es hier nur aushalten können?
    »Sehe ich das richtig?«, fragte ein Kripomann. »Kriminalrat Goronek ist nicht unterrichtet?«
    »Korrekt«, sagte Schöning. »Wir wissen nicht, auf welcher Seite Goronek steht.«
    »Im Zweifelsfall auf seiner eigenen«, ergänzte Geis.
    Die Köpfe der vier Kripoleute sackten ein Stück tiefer zwischen die Schultern. Langsam wurde ihnen bewusst, dass sie auf einem schmalen Grat zwischen Heldentum und Karriereabgrund balancierten.
    »Ich übernehme die volle Verantwortung«, sagte Schöning. »Sollten Ihnen später Vorwürfe gemacht werden, können Sie sich darauf berufen, dass Sie aufgrund meiner Anweisungen gehandelt haben.« Die Hauptkommissarin hatte ihre Krise überwunden und strahlte die natürliche Selbstsicherheit einer Anführerin aus.
    Die junge Kripofrau presste die Lippen
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