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Fuer immer und einen Tag

Fuer immer und einen Tag

Titel: Fuer immer und einen Tag
Autoren: Amanda Brooke
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es landete schließlich auf einem Laubhaufen, dessen Blattgerippe von Passanten in fröhlicher Nichtachtung der Verwüstung um sie herum zertreten wurden. Emma wollte ihren Blick abwenden, doch die Vision verfolgte sie unerbittlich, sosehr sie sich drehte und wand, um ihr zu entkommen.
    Â»Emma, was ist mit dir?«, fragte Meg und strich sanft ein paar feuchte Haarsträhnen aus ihrer verschwitzten Stirn.
    Emma schlug die Augen auf, musste sich aber erst mühsam aus ihrem Traum herauskämpfen. Sie wusste im ersten Moment nicht, wo sie war, und glaubte sich in ihre Kindheit zurückversetzt. Fast erwartete sie, dass ihre Mutter sagen würde, sie habe die Grippe und werde heute nicht zur Schule gehen.
    Â»Ich hole dir ein Glas Wasser«, sagte Meg, als sie zur Antwort nur ein wenig den trockenen Mund öffnete.
    Während ihre Mutter damit beschäftigt war, Wasser aus einer Karaffe einzuschenken, wanderte ihr Blick zu dem Fenster gegenüber. Der Nachmittag neigte sich bereits dem Abend zu, aber das Tageslicht reichte noch aus, um das letzte spärliche Herbstlaub an den kahlen Baumkronen zu erkennen. Als Kind war der Herbst die schönste Jahreszeit für sie gewesen, und sie hatte es geliebt, durch dicke, raschelnde Laubschichten zu stapfen und mit ihrem Vater Kastanien zu sammeln. Erst nach der Krebsdiagnose hatte sie ihre Meinung geändert, fand nun nichts Schönes mehr am Todeskampf der Natur und war eine überzeugte Anhängerin des Frühlings geworden, gab dem mit einem Meer an Apfelblüten aus der Winterstarre hervorbrechenden neuen Leben den Vorzug.
    Jedes Frühlingserwachen hatte sie mit einem Gefühl des Triumphs begrüßt, doch jetzt fragte sie sich mehr denn je, wie viele Siegestänze ihr wohl noch blieben. Bei diesem Gedanken gab sie es endlich auf, die erdrückende Furcht von sich fernzuhalten, die seit Tagen, wenn nicht Wochen, auf ihr lastete.
    Â»Ich habe solche Angst, Mum«, sagte sie, und das Geständnis entschlüpfte ihr so leicht wie die erste Träne, die ihr über die Wange lief. »Ich glaube nicht, dass ich das alles noch einmal durchmachen kann.«
    Â»Ich habe auch Angst«, sagte Meg. Ihre Tränen, als sie sich umdrehte, spiegelten die ihrer Tochter wider.
    Â»Warum ich? Warum muss mir so etwas passieren?«, klagte Emma, ohne eine Antwort zu erwarten oder zu wollen. »Beim ersten Mal war es schon schlimm genug, aber das jetzt, das ist so verdammt ungerecht!«
    Â»Ich weiß«, sagte Meg und nahm sie in die Arme.
    Â»Ich dachte, ich hätte genug gelitten.« Ihre Stimme klang gedämpft, als sie den Kopf in den Armen ihrer Mutter vergrub. »Ich war kurz vor der Fünf-Jahres-Schwelle, ich hatte es fast geschafft! Das sollte der Anfang vom Rest meines Lebens werden. Ich wollte mir einen besseren Job suchen, vielleicht sogar wieder nach London ziehen.«
    Â»Ich weiß«, wiederholte Meg, heiser vor Mitleid. »Wenn ich bedenke, dass ich vor einem Monat gar nicht glücklich über deine Idee war, dorthin zurückzugehen … Ich sollte aufpassen, was ich mir wünsche.«
    Â»Ich hatte noch so viel vor«, flüsterte Emma und tauchte in Gedanken wieder in das Füllhorn voller Träume ein, das sie einst wie einen Schatz gehütet hatte. »Ich wollte alles machen, alles sehen, die Welt bereisen.«
    Meg lehnte sich ein wenig zurück, um sie anzusehen. Anscheinend hatte sie vor, ihr wieder eine Dosis Glauben und Vertrauen zu verabreichen, aber ein Blick von ihr warnte sie, keine Versprechungen zu machen, die sie nicht halten konnte. »Abwarten«, sagte Meg nur.
    Sie klammerten sich in einer neuen, verzweifelten Umarmung aneinander. Ihre Körper zuckten krampfhaft, und ihre Kehlen schnürten sich zusammen bei dem Versuch, das Weinen einzudämmen. Emma hörte, wie der Vorhang um ihr Bett herum zugezogen wurde, und vermutete, dass es Peter war, der ihnen die ersehnte Privatsphäre verschaffte. Dieser einfache Akt der Freundlichkeit ließ sie ihr Unglück und ihre Hoffnungslosigkeit nur noch stärker empfinden. Irgendwann inmitten der erstickten Schluchzer glaubte sie, ihre Mutter flüstern zu hören: »Bitte brich mir nicht das Herz.« Emma spürte, wie der Riss durch ihr eigenes Herz noch ein bisschen tiefer wurde. Die Zeit verging, kostbare Sekunden, die sie eigentlich nicht verschwenden sollte. Allmählich versiegte der Tränenstrom, und schließlich
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