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Fuenf Maenner Fuer Mich

Fuenf Maenner Fuer Mich

Titel: Fuenf Maenner Fuer Mich
Autoren: Annette Meisl
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gehen mir durch den Kopf.
    Yasemin wirkt plötzlich hilflos. „Ich halte diese Heimlichtuerei nicht mehr aus.“
    Kurz denke ich darüber nach, ob ich jetzt lachen oder weinen soll. Muss ich sie jetzt etwa trösten? Ich bestelle eine Flasche Mineralwasser und trinke sie in einem Zug leer.
    „Es hat mich belastet, es all die Jahre zu wissen.“
    Es hat sie belastet? Sie sackt nach vorne, senkt das Kinn Richtung Ausschnitt. Meine Freundinnen-Antennen signalisieren mir: Sie braucht Trost.
    „Was wird nun aus unserer Freundschaft?“, fragt sie kläglich und legt den Kopf schief.
    „Was hat das eine mit dem anderen zu tun?“, frage ich verwundert zurück, als könne ich das alles schon erfassen. Das ganze Ausmaß der eben stattgefundenen Enthüllung ist mir noch nicht bewusst.
    „Komm, wir rufen ihn an“, schlägt Yasemin vor.
    Eine halbe Stunde später schlendert Herr X lässig ins Café. Ich frage: „Du weißt, worum es geht?“ Er schaut von mir zu Yasemin, die seinem Blick ausweicht, und nickt. Ich mustere die Bücherregale an den Wänden des Cafés. Er studiert die Speisekarte auf dem Tisch.
    „Was ist mit dir und Gülay?“
    Er sagt: „Wir haben eine Beziehung. Na und?“
    Fast fühle ich mich verpflichtet, ihn um Verzeihung zu bitten. Wie konnte ich es wagen, seinen seelischen Frieden mit meinen platten Fragen zu stören? Die Tatsachen sind eine Nummer zu groß für mich und den kurzen Moment, der vergangen ist. Ich blicke hilflos von einem zum anderen. Ich erwarte irgendeine Erklärung, ein Zauberwort. Ich hoffe, eine kleine magische Bewegung beendet diesen Albtraum und alles ist wieder so, wie es vorher war. Doch es ist wie bei einem Unfall. Etwas ist unwiderruflich zerstört, aber der Verstand kann es noch nicht fassen. Das hier ist bitterböse, schwarze Zauberei. Mein Leben wurde von einer Sekunde zur anderen weggezaubert. Ich stehe vor dem großen Nichts.
    Nach einer kurzen Ewigkeit stehe ich auf. Die beiden bleiben stumm am Tisch sitzen. Mein Weg führt mich direkt in unsere Wohnung. In einer Viertelstunde habe ich ein paar Klamotten und Kosmetikartikel in eine Tasche gepackt und schon bin ich weg. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, dass dies der endgültige Abschied von der Wohnung ist, die 15 Jahre lang mein Zuhause war.
    Von der Straße aus werfe ich einen letzten Blick auf das Haus mit den weißen Klinkersteinen. Es ist nicht das Schmuckstück des Viertels, aber die Hausgemeinschaft hält zusammen wie Pech und Schwefel. Einmal im Jahr feiern wir eine Party über alle Stockwerke hinweg, die legendär ist in der gesamten Straße.
    Die Wohnung selbst ist 80 Quadratmeter groß und vollgestopft mit den Sachen von Herrn X. Er sammelt Bierdeckel, Weinkorken, alte Plakate, Fotos, Postkarten, Werkzeug und eine ganze Reihe von anderen Gegenständen, deren Nutzen mir immer verborgen geblieben ist. Meine private Ecke ist im Schlafzimmer, neben unserem großen Doppelbett, und besteht aus einer kleinen, schwarzen Kommode und ihrem spärlichen Inhalt: Wäsche, ein bisschen Schmuck, Notizbücher. Ich schiebe alle Gedanken weg und radle mit der Tasche auf dem Rücken in mein Büro, wo ich erst mal unterschlupfen werde. Meine Mitarbeiterinnen dürfen nur nichts davon merken. Niemand soll etwas merken. Ich werde mein Bettzeug immer hinterm Aktenschrank verstecken und so früh aufstehen, dass ich alle Spuren beseitigen kann, die darauf hinweisen, dass ich über Nacht da war.
    Den restlichen Tag erlebe ich wie in eine Wattewolke gehüllt. Abends bin ich alleine. Draußen ist es dunkel. Ich ziehe die Vorhänge zu. Ich finde es zu hell hier drinnen mit all den Bürotischlampen. Ich mache eine nach der anderen aus. Ich will Dunkelheit. Die Nacht lockt sanft die Tränen aus meinem Bauch. Ich fange an zu weinen. Ganz sanft. Ich hab es gar nicht verlernt, auch wenn ich während meiner Ehe nie weinen durfte. Komisch, denke ich, so was verlernt man also nicht. Die Tränen blubbern angenehm nach oben und ölen das leise Wimmern, das sich dazugesellt. Das Wimmern gewinnt an Intensität, entwickelt sich zum Schluchzen. Handfest. Ein ordentliches, hörbares Schluchzen. Wie eine Wölfin im Käfig fange ich an, im Büro hin und her zu laufen. Etwas steigt in mir hoch. Aus dem tiefsten Innern meines Körpers löst sich ein Schrei. Mit Wucht schießt er nach oben, bahnt sich seinen Weg durch die Körpermitte, durch die Brust, den Hals bis in die Mundhöhle und birst hinaus in die Luft des Büros. Staunend stehe ich neben
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