Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fuchsteufelswild

Fuchsteufelswild

Titel: Fuchsteufelswild
Autoren: Roland Krause
Vom Netzwerk:
Weitem gesünder an. Pfeif aufs schlechte Gewissen, Sandner. Dazu fehlt ihm aktuell die Puste.
    Vor einem kleinen Häuserl aus den Sechzigern darf er schließlich stehen bleiben und verschnaufen. Der Zaun könnte einen frischen Anstrich vertragen, das Unkraut im Gärtchen muss keinen Anschlag befürchten. Naturprediger würden das struppige Ensemble zum Biotop adeln.
    Vor der Haustür steht ein Paar, zum Kirchgang gerüstet. Sonntagsgwand – sogenannter Landhausstyle im Münchner Shopping-Slang. Rot-weiße Karos unter gedecktem Garn, züchtige Krägen, sparsam präsentierte Haut. Der Morgen ist, trotz Sonnenbestrahlung, herbstlich zapfig. Auf behütete Bronchien solltest du nicht verzichten – die Messe ist ja keine Ü-30-Party im paarungszeitigen Großstadtdschungel.
    Die drei mustern sich sekundenlang, schätzen einander ab.
    Â»Was wollens?«, herrscht der Mann ihn schließlich an, Ungeduld in der Stimme.
    Der Sandner kramt nach Wörtern im passenden Kleid.
    Â»Polizist bin ich aus München, Josef Sandner«, sagt er, »könnt ich kurz hereinkommen?«
    Â»Passt grad schlecht, vielleicht nach der Mess«, verkündet ihm sein Gegenüber und verschränkt die Arme.
    Â»Kommens«, widerspricht die Frau und macht ihm die kleine Holzpforte auf. Einen finsteren Blick bekommt sie von ihrem Begleiter dafür geschenkt.
    Â»Um Ihren Sohn geht’s, könnten wir uns drin hinsetzen?« Der Sandner mag weder drumrum reden noch am Gartenzaun stehen bleiben.
    Â»Was is?«, fragt der Mann, ohne auf die Aufforderungen zu reagieren.
    Einen sturen Hund hat er da vor sich. Hilflos schüttelt der Münchner den Kopf.
    Â»Ihr Sohn ist heut Morgen in seiner Wohnung aufgefunden worden.«
    Â»Aufgefunden?«, fragt die Brandl, »was is mit ihm passiert?«
    Â»Ich muss Ihnen sagen, dass er tot ist. Es tut mir leid.«
    Â»Tot«, brummt der Mann und nickt, wie zur Bestätigung.
    Die Frau dreht sich abrupt um, sperrt die Tür auf und verschwindet im Haus. Nachdem der finstere Kerl wie ein Baum verwurzelt, geht der Sandner der Frau nach. Einen dunklen Flur, dominiert vom massigen eichenen Garderobenschrank, tappt er zögernd entlang. Aus einem Raum, ganz am Ende, offenbar der Wohnküche, hört er sie kurz aufschluchzen.
    Wie er hereinkommt, hantiert sie mit einem Spülhadern. Auf dem Tisch mit dem geklöppelten Deckerl stehen noch zwei halb volle Kaffeehaferln, eines davon mit »Morgenstund hat Gold im Mund«-Aufschrift. Goldene Lettern auf hellblauem Porzellan. Über der roh gezimmerten Eckbank wird der geschnitzte Jesus gekreuzigt. Eine einsame Strohblume hat ihm wer unter den rechten Arm geschoben – vielleicht zum Trost. An der Wand ein gelbstichiges Bild aus alter Zeit. Eine Ansammlung ernst dreinschauender Leut im Festtagsgwand vor einem rustikalen Bauernhaus. Im Zentrum das mächtige Ochsengespann nebst vollbärtigem Familienoberhaupt. Das wiederkäuende Hab und Gut, wohlgenährt mit glänzend-gestriegeltem Fell. Was du dein Eigen nennst, dafür brauchst du dich nicht schämen.
    Unter dem gelblichen Licht der Lampe tummeln sich zwei Stubenfliegen. Es riecht nach kaltem Zigarrenrauch und Kiefernharz.
    Der Sandner sagt nichts. Hinter sich hört er schwere Schritte.
    Â»Des hat ja so kommen müssen«, murmelt der Mann.
    Seine Gemahlin zuckt zusammen, ihre Schultern heben sich, als würde der Satz ihr ins Genick dreschen.
    Der Sandner wendet sich um und schaut dem Brandl in die Augen. Die Miene wirkt schroff und abweisend wie ein steiler Felsgrad. Nix zum Festhalten. Nur der Kehlkopf hüpft auf und ab. Seine Hände ballen sich zu Fäusten.
    Â»Wie meinens des, hat er Feinde gehabt, Ihr Sohn?«
    Der Vater des Toten fährt sich mit der Hand über das kurz rasierte Haupt. Sein starrer Blick ist auf den Sandner gerichtet oder durch ihn hindurch zum Jesus an der Wand. Antwort gibt der aktuell keine.
    Â»Wir wissen von gar nix, wir haben keinen Kontakt gehabt.« Und zu seiner Frau gewandt: »Irene, komm, wir müssen los.«
    Die Aufforderung ruft bei Tonis Mutter ein fügsames, stilles Nicken hervor. Sie reißt sich von der Spüle los. Ehe sichs der Sandner versieht, befindet er sich wieder draußen vor der Tür. Etwas anderes hat er erwartet. Nichts, was er vorausahnen hätte können. Vielleicht einen Orkan, vielleicht die verschlingende Leere, gegen die er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher