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Fuchsteufelswild

Fuchsteufelswild

Titel: Fuchsteufelswild
Autoren: Roland Krause
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durchdrahter Kasperl – weil direkt in einer Wohnung im Nachbarhaus ihres Ex ist heute Morgen einer dagelegen, an dem hat nix mehr geschnauft. Barfuß ist der gewesen.
    Beim Parken vor dem Haus hatte ihr Magen gegrummelt. Die inneren Organe haben ein Elefantengedächtnis.
    Â»Yves« hat er geheißen – nicht der Tote, sondern der Sohlenfetischist –, wahrscheinlich längst Familienvater mit Eigenheim im Grünen, weil eine nicht widerstehen konnte bezüglich belämmerten Gesichtsausdrucks. Mutmaßlich schwerer Samenraub – aber definitiv verminderte Schuldfähigkeit.
    Sie zwingt ihre Gedanken zum Toten. Der ist dagelegen mitten im Flur auf dem Parkettboden. Die Arme nach vorne ausgestreckt, auf dem Bauch. Prellungen und Schrammen haben den Körper gezeichnet. Eine weiße Jeans, sonst nichts. Toni Brandl, jung, blond, grazile Gestalt – wieder einer aus dem Leben gerissen, vom Tod am Kragen gepackt und mitgezerrt. Reingeplatzt ist der, mitten in das Alltägliche und Banale, samt Zähneputzen und Fingernagelschneiden und Badputz am Samstag. Die Zukunftsträume und ausgekartelten Pläne hat er zerrupft wie der Wind die vorwitzigen Wolken.
    Der Kopf vom Brandl ist unnatürlich überstreckt gewesen, zur Seite gedreht, als wäre der Hals aus Gummi. So haben einst ihre Barbiepuppen ausgeschaut, wenn einer ihrer Brüder seine Experimentiergelüste umgesetzt hatte. Unbequeme Lage, aber die Todesursache ist nicht recht deutlich geworden.
    Manchmal hast du die klar vor unwilligen Augen, wenn beispielsweise ein Messergriff aus blutigem Wanst ragt oder ein geschundener Leib an essenziellen Stellen unvollständig daherkommt. In Brandls Fall hat es gewirkt, als ob er sich gleich aufrichten würde und das Ganze zum makabren Scherz erklären. Überflüssig und unnötig ist der Tod erschienen, wie wenn der Mann nur versehentlich den falschen Weg genommen hätte. Sackgasse. Er sollte einfach umkehren, und nix Tragisches wäre passiert.
    Die Wiesner hat auf den Augenblick gewartet, bis die Endgültigkeit der Tat den Anker geworfen hat. Tief Luft holen und die Einzelheiten der Leiche studieren. Zuerst Brandls aufgerissene, starre Augen. Sie haben gewirkt, als hätte er noch etwas interessiert studieren wollen, und das Sterben ist ihm einfach dazwischengekommen. Da war nichts im erloschenen Blick vom viel zitierten Erstaunen, eher ein Funken aus Schmerz und Erkenntnis.
    Optogramme kommen ihr in den Sinn. Eine obskure Wissenschaft, die mittels ausgefuchster Apparaturen beweisen wollte, dass im starren Auge das letzte Bild zu generieren wäre. Das allerletzte Bild. Wen hat er gesehen, der Toni? Ist es eine Überraschung gewesen, oder hat er das erwarten müssen? Hat er sich verzweifelt gewehrt bis zuletzt?
    Eine Mischung aus Weihrauch und Sandelholz hat die Polizistin erschnuppern können. Ungewöhnlich. Findest du sonst eher in weiblicher Umgebung. Geschmackvoll eingerichtet, nichts Billiges. Erdfarbene Wände, mannshohe exotische Pflanzen. Der Gang durch die Wohnung hat ihr gezeigt, dass er ein ordentlicher Mensch gewesen sein musste, im Leben. Nirgendwo herumflackende Socken, keine benützten Gläser auf dem Tisch, keine Zeitungen. Als hätte er die Welt aufgeräumt verlassen wollen. Aber von »wollen« kann keine Rede sein, wenn du abgekragelt wirst wie ein überreifer Gockel.
    A lles hat seinen routinierten Gang genommen. Die Spurensicherung hat gewerkelt, der Doktor Aschenbrenner sich mit der Leichenschau abgefrickelt. Die Rädchen haben ineinanderge-griffen. Ruhig ist es zugegangen.
    Und die Wiesner? Hat mitgespielt, die passenden Fragen gestellt, die Leut instruiert.
    Plötzlich hat sich ein seltsames Gefühl in ihr Raum geschaffen. Als würde sie aus dem Körper schlüpfen wie aus einem Gewand und sich von außen zuschauen. Die sachlich-kühle Beamtin hat ihren Leichenjob gemacht, während daneben eine Frau gestanden ist, die, angewidert von all der Gewalt, den Blick vom Ermordeten abwenden musste. Gewundert hat die sich, wer diese große, dünne Blonde ist, die sich da geschäftsmäßig, ohne jede Regung, nach der Todesursache erkundigen und im Leben des Ermordeten wühlen kann wie in ihrem Handtascherl. Kurz und knapp sind ihre Anweisungen gewesen, umsichtig ihr geschulter Blick.
    Die Leiche ist vom hergeschundenen Opfer zum spannenden Objekt mutiert. Die Entpersonalisierung hat
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