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Fuchsjagd

Titel: Fuchsjagd
Autoren: Minette Walters
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geöffnet wurde, und ging Nancy entgegen, um sie mit energischem Händedruck zu begrüßen. »Ich danke Ihnen, Miss Smith, dass Sie sich die Zeit nehmen, mich zu empfangen. Mein Name ist Mark Ankerton, ich vertrete die Familie Lockyer-Fox. Ich weiß, dass dies ein unverzeihlicher Überfall ist, aber mein Mandant hat mich gedrängt, Sie unbedingt ausfindig zu machen.«
    Er war Anfang dreißig, groß und dunkel, ganz so wie ihn Nancy sich nach seinen Briefen vorgestellt hatte: arrogant und eingebildet hinter einer Fassade routinierten Charmes. Sie kannte solche Typen, hatte beruflich täglich mit ihnen zu tun. Wenn sie mit Schmeichelei nicht weiterkamen, wurden sie ruppig. Er war zweifellos erfolgreich in seinem Beruf. Wenn sein Anzug ihn weniger als tausend Pfund gekostet hatte, war er ein Schnäppchen gewesen. Umso mehr erheiterten sie die Schmutzspritzer, die er sich beim vorsichtigen Gang über den schlammigen Hof auf Schuhen und Hosenaufschlägen geholt hatte.
    Auch sie war groß gewachsen, sie sah sogar noch sportlicher aus als auf dem Foto. Mit dem kurzem schwarzen Haar und den braunen Augen war sie, in Jeans und Sweatshirt gekleidet, ihrer blonden, blauäugigen Mutter so unähnlich, dass Mark sich schon fragte, ob die Unterlagen der Agentur fehlerhaft waren. Erst als sie ihn mit einem leichten Lächeln aufforderte, sich wieder zu setzen, verflogen seine Zweifel. Dieses Lächeln, kurz und mechanisch, ohne Widerschein in ihren Augen, war wie eine Kopie des Lächelns seines Mandanten, James Lockyer-Fox.
    »Du meine Güte!«, sagte er.
    Mit einem kleinen Stirnrunzeln starrte sie ihn an, ehe auch sie sich setzte. »Die korrekte Anrede ist übrigens
Captain
Smith«, bemerkte sie freundlich. »Ich bin Offizier bei den Royal Engineers.«
    »Du meine Güte!«, sagte er wieder.
    Sie ignorierte den Ausruf. »Sie haben Glück, mich zu Hause anzutreffen. Ich bin gerade zu einem zweiwöchigen Urlaub aus dem Kosovo hier.« Sie sah, wie sein Mund sich öffnete. »Bitte sagen Sie jetzt nicht wieder ›du meine Güte‹«, bat sie. »Ich komme mir schon vor wie ein Zirkusaffe.«
    Unglaublich! Sie war wie James. »Entschuldigen Sie.«
    Sie nickte. »Was wollen Sie von mir, Mr. Ankerton?«
    Die Frage war zu direkt. Er zögerte. »Haben Sie meine Briefe bekommen?«
    »Ja.«
    »Dann wissen Sie, dass ich die Familie Lock…«
    »Ja, ja, das weiß ich«, unterbrach sie ihn ungeduldig. »Sind diese Leute berühmt? Müsste ich von ihnen gehört haben?«
    »Sie kommen aus Dorset.«
    »Ach was!« Sie lachte amüsiert. »Dann sind Sie bei der falschen Nancy Smith gelandet, Mr. Ankerton. Ich kenne Dorset nicht. Und ich kann mich nicht erinnern, jemanden zu kennen, der dort lebt. Ganz sicher kenne ich niemanden mit dem Namen Lockyer-Fox – ob aus Dorset oder sonst woher.«
    Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und drückte vor seinem Mund die Hände aneinander. »Elizabeth Lockyer-Fox ist Ihre leibliche Mutter.«
    Sie verzog keine Miene.
    »Was Sie gerade tun, verstößt gegen das Gesetz, Mr. Ankerton«, sagte sie ruhig. »Die Adoptionsvorschriften sind sehr präzise. Ein leiblicher Elternteil kann seine Bereitschaft, Kontakt aufzunehmen, kundtun, aber das Kind ist nicht verpflichtet, darauf zu reagieren. Ich habe Ihre Briefe nicht beantwortet. Deutlicher hätte ich wohl kaum bekunden können, dass ich nicht daran interessiert bin, Ihre Mandantin kennen zu lernen.«
    Sie sprach mit dem weichen Akzent der Gegend, die ihr Zuhause war, aber ihre Art war so energisch wie Marks, und das war nicht von Vorteil für ihn. Er hatte eigentlich vorgehabt, die Taktik zu ändern und an ihr Mitgefühl zu appellieren, aber ihre ausdruckslose Miene legte nahe, dass er da auf Granit beißen würde. Die Wahrheit konnte er ihr schlecht sagen. Es würde sie nur noch ärgerlicher machen, wenn er zugab, dass er selbst nichts von der ganzen Sache hielt. Er hatte sogar mit allen Mitteln versucht, diese sinnlose Jagd ins Blaue zu verhindern. Kein Mensch hatte gewusst, wo das Kind sich aufhielt und wie es aufgezogen worden war, und Mark hatte mit allem Nachdruck davon abgeraten, die Familie neuen, womöglich noch schlimmeren Erschütterungen auszusetzen, indem man einer Unbekannten nachlief, die sich vielleicht als gewöhnliche Erbschleicherin entpuppen würde.
    Nancy verstärkte sein Unbehagen, indem sie demonstrativ auf ihre Uhr schaute. »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, Mr. Ankerton. Ich muss am Freitag zurück zu meiner Einheit und möchte die Zeit, die
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