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Fuchsjagd

Titel: Fuchsjagd
Autoren: Minette Walters
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die Adoption, um der Schande eines unehelichen Kindes zu entgehen. Obwohl zu dieser Zeit, im Jahr 1973, die Frauenbewegung längst Tritt gefasst hatte, waren die Lockyer-Fox' immer noch der Ansicht, eine »gute« Verheiratung wäre die einzige Lösung, um ihre Tochter zu bändigen. Wenn sie erst einmal ihren eigenen Hausstand hatte, hofften sie, würde sie schon lernen, Verantwortung zu übernehmen.
    Man verbreitete also die Geschichte, Elizabeth litte am Pfeiffer'schen Drüsenfieber. Verwandte und Freunde ihrer Eltern, die für die Lockyer-Fox-Kinder grundsätzlich nicht viel übrig hatten, reagierten mit geradezu sparsamer Teilnahme, als sich herausstellte, dass das Mädchen wegen der Schwere der Erkrankung und der hohen Ansteckungsgefahr drei Monate lang völlig isoliert bleiben musste. Die Pächter und Angestellten auf dem Gut erlebten Elizabeth so wie immer – unersättlich in ihrem Lebenshunger. Nachts stahl sie sich von der Leine ihrer Mutter und vergnügte sich. Sie betrank sich, schlief mit anderen Männern – alles ohne Rücksicht auf das ungeborene Kind. Warum sollte sie sich darum sorgen, wenn es sowieso nicht ihr gehören würde? Sie wollte es nur loswerden, und je härter der Sex, desto eher würde das vielleicht gelingen.
    Arzt und Hebamme hielten den Mund und halfen termingerecht einem überraschend gesunden Kind auf die Welt. Danach schickte man Elizabeth auf ein Mädchenpensionat in London, wo sie einen jungen Adligen kennen lernte, der ihre Zartheit und Tränenseligkeit so liebenswert fand, dass er sie heiratete.
    Was Nancy betraf, so war ihr Aufenthalt in Shenstead Manor von kurzer Dauer gewesen. Schon wenige Stunden nach ihrer Geburt war sie mit Hilfe eines Adoptionsbüros an ein kinderloses Ehepaar, Bauern in Herefordshire, vermittelt worden, dem ihre Herkunft weder bekannt noch wichtig war. Die Smiths waren grundgütige Leute, die das Kind, das ihnen geschenkt worden war, von Herzen liebten und aus seiner Adoption kein Geheimnis machten, ja, seine besonderen Gaben – vor allem die Intelligenz, die es bis nach Oxford führte – stets dem Erbe seiner leiblichen Eltern zuschrieben.
    Nancy hingegen war der Überzeugung, sie verdanke alles ihren Eltern, ihrer Wärme und Großzügigkeit, ihrem Beharren auf einer guten Schulbildung, der rückhaltlosen Unterstützung all ihrer Pläne. Nur selten dachte sie über ihre leiblichen Eltern nach. Sicher und geborgen in der Liebe dieser beiden gütigen Menschen, fiel es ihr nicht ein, sich Gedanken über die Frau zu machen, die sie weggegeben hatte. Wozu auch? Wer immer sie war, ihre Geschichte war schon tausendmal vorher erzählt worden und würde noch tausendmal wieder erzählt werden. Eine unverheiratete Frau. Eine ungewollte Schwangerschaft. Ein unerwünschtes Kind. Die Mutter hatte keinen Platz in der Geschichte ihrer Tochter…
    …und hätte nie einen bekommen, wäre da nicht ein beharrlicher Rechtsanwalt gewesen, der Nancy schließlich mit Hilfe der Unterlagen des Adoptionsbüros bei der Familie Smith in Hereford ausfindig machte. Nachdem seine Briefe unbeantwortet geblieben waren, reiste er kurzerhand nach Hereford und traf durch einen glücklichen Zufall Nancy selbst an, die auf Urlaub zu Hause war.

    Ihre Mutter überredete sie, wenigstens mit ihm zu sprechen. Sie ging zu Nancy in den Stall, wo diese nach einem anstrengenden Ausritt Red Dragon den Schlamm von den Flanken rieb. Das Pferd schnaubte verächtlich, als sie den unerwarteten Besuch ankündigte. Reds Reaktion entsprach so sehr Nancys Gefühl, dass sie ihm einen beifälligen Kuss auf die Nüstern gab. Na bitte, das nennt man gesunden Pferdeverstand, sagte sie zu Mary, ihrer Mutter. Red würde den Teufel auf tausend Schritte riechen. Und? Hatte Mr. Ankerton verlauten lassen, was er wollte, oder versteckte er sich immer noch hinter geheimnisvollen Andeutungen?
    Seine Briefe waren Meisterwerke juristischer Doppelsinnigkeit gewesen. Oberflächlich gelesen schienen sie eine Erbschaft anzudeuten: »Nancy Smith, geboren am 23.5.73… in einer für Sie vorteilhaften Angelegenheit…« Zwischen den Zeilen gelesen –»…hat mich die Familie Lockyer-Fox beauftragt… entsprechende Fragen… bitte bestätigen Sie das Geburtsdatum…« schienen sie eine vorsichtige Annäherung von Seiten ihrer leiblichen Mutter nahe zu legen, die gegen die Adoptionsvorschriften verstieß. Nancy hatte von alledem nichts wissen wollen –»Ich bin eine Smith!«–, aber ihre Adoptivmutter hatte sie gedrängt,
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