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Fuchsjagd

Titel: Fuchsjagd
Autoren: Minette Walters
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du dir den Quatsch immer anschaust.«
    Wolfie griff zur harmlosesten Erklärung. »Du weißt schon, auf dem Platz, wo wir zuletzt waren, haben ich und Welpie einen Jungen getroffen, und der war dann unser Freund. Er hat in einem richtigen Haus gewohnt und hat uns die Videos von seiner Mam anschauen lassen, wenn sie bei der Arbeit war.« Es entsprach nur teilweise der Wahrheit. Der Junge hatte sie zwar zu sich nach Hause mitgenommen, aber als seine Mutter dahinter gekommen war, hatte sie den Besuch hochkant hinausgeworfen. Meistens war es so, dass Wolfie aus der Blechdose, die unter dem Bett seiner Eltern versteckt war, Geld stahl und sich davon Kinokarten kaufte, wenn sie in der Nähe einer größeren Ortschaft waren. Er wusste nicht, woher das Geld stammte und wie es kam, dass so viel davon da war. Fox jedenfalls schien es nie zu merken, wenn etwas verschwand.
    Fox brummte ungläubig, während er mit der Spitze seines Rasiermessers die ausrasierten Schneisen auf seinem kurz geschorenen Scheitel nachzog. »Und was hat die Schlampe in der Zeit getrieben? War die auch dort?«
    Wolfie war es gewöhnt, dass seine Mutter »Schlampe« genannt wurde. Er nannte sie sogar selbst manchmal so. »Die war krank.« Er verstand nicht, wieso sein Vater sich mit dem scharfen Rasiermesser niemals schnitt. Es war doch nicht normal, sich so ein Ding über den Schädel zu ziehen und dabei kein einziges Mal auszurutschen. Fox benutzte nicht mal Rasiercreme, damit es leichter ging. Manchmal fragte sich Wolfie, warum Fox nicht einfach alle seine Haare abrasierte. Er machte sich vielmehr die Mühe, unregelmäßige Streifen auszurasieren, um die kahlen Stellen zu kaschieren, und ließ das bisschen Haar hinten und an den Seiten in Dreadlocks auf die Schultern hinunterfallen. Sein Haarausfall wurde immer schlimmer. Wahrscheinlich hatte Fox riesige Angst davor, eine Glatze zu bekommen, obwohl er – Wolfie – das überhaupt nicht verstand. Die richtig harten Typen im Film hatten oft kahl geschorene Köpfe. Bruce Willis zum Beispiel.
    Im Spiegel traf sein Blick mit dem seines Vaters zusammen. »Was starrst du mich so an?«, knurrte der. »Was willst du?«
    »Du hast bald 'ne Glatze, wenn das nicht aufhört«, sagte Wolfie und deutete auf die schwarzen Haare, die im Wasser schwammen. »Warum gehst du nicht zum Doktor? Is doch nicht normal, dass dir gleich massenhaft Haare ausfallen, wenn du nur den Kopf schüttelst.«
    »Woher willst du das wissen? Vielleicht ist das erblich. Vielleicht wird es dir auch mal so ergehen.«
    Wolfie musterte sein blondes Spiegelbild. »Bestimmt nicht«, erwiderte er. Er war plötzlich kühn geworden, weil sein Vater tatsächlich etwas mit ihm redete. »Ich schau dir überhaupt nicht ähnlich. Ich schlag Mam nach, und die kriegt keine Glatze.« Das hätte er nicht sagen sollen. Er wusste schon, dass es ein Fehler war, als ihm die Worte über die Lippen kamen und er sah, wie die Augen seines Vaters schmal wurden.
    Schnell wollte er sich ducken, aber Fox packte ihn im Genick und ritzte mit dem Rasiermesser das weiche Fleisch unter seinem Kinn. »Wer ist dein Vater?«
    »Du, Fox«, jammerte der Junge mit brennenden Tränen in den Augen. »Is doch logo!«
    »Herrgott noch mal!« Fox schleuderte den Jungen zur Seite. »Du lernst es wohl nie! Wie heißt es richtig?
Ist doch klar!
Merk dir das endlich, du dämlicher kleiner Scheißer!«
    Mit hastigen Gesten der Beschwichtigung wich Wolfie zurück. »Deswegen brauchst du doch nicht gleich so sauer werden, Fox«, sagte er. Verzweifelt bemühte er sich, seinem Vater zu beweisen, dass er nicht so dumm war, wie dieser glaubte. »Mam und ich haben wegen deinem Haarausfall im Internet nachgeschaut, wie wir das letzte Mal in der Bipplethek waren. Ich glaub, es heißt –« er hatte versucht, sich das Wort einzuprägen –»Alepezie. Da steht massenhaft was drüber drin – und man kann auch was dagegen tun.«
    Fox' Augen zogen sich wieder zusammen. »Al
o
pezie, du Idiot. Du bist und bleibst strohdumm. Bringt diese Schlampe dir eigentlich gar nichts bei? Alopezie ist das griechische Wort für Fuchsräude. Das ist eine Krankheit, die Füchse befällt. Was Übles. Was meinst du wohl, wie ich zu meinem Namen gekommen bin, Dummkopf? Deshalb nennt man mich ›Fox Evil‹!«
    Wolfie hatte da seine eigenen Vorstellungen. Fox, Fuchs, das war alles das Gleiche und stand für teuflische Schläue. Und etwas Übles, das war was Schlimmes, Böses. Ja, ja, der Name passte zu seinem Vater. Wieder
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