Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frühstückspension: Kriminalroman

Frühstückspension: Kriminalroman

Titel: Frühstückspension: Kriminalroman
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
Vom Netzwerk:
zweimal auf den Boden, bis es mir gelingt.
    Wohin jetzt mit meinen Augen? Wohin mit meinen Händen? Ich beneide Raucher um ihr Ritual und erinnere mich an mein Buch. Wie eine Waffe lege ich es auf den Tisch. Ich bestelle ein großes Pils und verkrieche mich hinter der Speisekarte. Dabei fühle ich mich von dem Mann beobachtet. Er scheint kauzig zu sein. Jedenfalls redet er mit seinem Hund.
    »Na, mein Alter. Ich glaube, die Frauen haben uns vergessen.«
    Oder ist das seine Art der Anmache? Wenn er mich nun anspricht? Die Vorstellung beunruhigt mich. Wie soll ich reagieren? Ich werde ihm meinen Ehering präsentieren. Ich bin eine verheiratete Frau.
    Ja, das bin ich, denke ich bitter. Ob glücklich oder nicht. Aber verheiratet. Über 28 Jahre.
    Als ich Reinhard kennen lernte, hat er sich nicht für mich, sondern für Elke interessiert. Aber Elke schleppte mich meistens zu ihren Verabredungen mit, und ich gab mir Mühe, eine gute Gesellschafterin zu sein. Ich konnte schon immer gut zuhören, viel besser als Elke. Und Reinhard liebte es, wenn man seinen Worten lauschte, ihm an den Lippen hing. Auch aus diesem Grund hat er sich für mich entschieden. Elke hat es nicht gestört, und ich war geschmeichelt und verliebt. Reinhard hatte eine weltmännische Art und führte mich aus. Unser Zusammensein erinnerte mich an Liebesszenen aus alten Schwarz-Weiß-Filmen. Der Held und die Heldin. Das Muster gefiel mir. Es hatte etwas Vorhersehbares und Sauberes. Für mich war es selbstverständlich, ›Ja‹ zu sagen, als Reinhard mir einen Antrag machte. Meine Mutter war natürlich entsetzt, dass ich gleich den ersten Mann heiraten wollte. Sie sagte, lass dir Zeit. So wie sie vorher ständig gesagt hatte, geh doch mal aus. Lern Männer kennen. Amüsier dich.
    Ich antwortete: Warum soll ich weitersuchen? Er ist der Richtige. Woher willst du das denn wissen, fragte sie. Ist er so gut im Bett? Die Frage machte mich wütend. Ich redete nicht mehr mit ihr und bereitete mich auf mein Leben mit Reinhard vor. Sie ließ mich.
    Der Mann steht wirklich auf und kommt auf mich zu. Ich halte den Atem an. Ist das hier so üblich, oder wirke ich so vereinsamt, dass er bei mir keine Hemmungen hat? Ich werde ihm sagen, dass ich nicht an einem Gespräch interessiert bin. Und schon gar nicht an mehr.
    »Entschuldigen Sie«, höre ich ihn sagen. Nein, ich werde nicht entschuldigen. Sollte er sich ein anderes Objekt zum Flirten suchen. Ich sehe ihn streng an.
    Er lächelt. Sein Lächeln wirkt amüsiert. Worüber amüsiert er sich? Dass ich allein sein will? Meine Ehre verteidige?
    »Ihre Papiere sind Ihnen aus der Manteltasche gefallen. Ich glaube, Sie haben es nicht bemerkt.«
    Mit diesen Worten bückt er sich und hebt meine Brieftasche mit Führerschein und Ausweis vom Boden auf. Ich starre ihn an. Versuche zu denken. Als ich endlich »Oh, vielen Dank« stammele, ist er schon wieder an seinem Tisch. Dort begrüßen ihn eine Frau in seinem Alter und ein junges Mädchen.
    »Das wird aber Zeit. Ich dachte, ihr habt uns vergessen«, strahlt er und gibt beiden einen Kuss. Ich versuche, nicht mehr in die Richtung zu sehen. Es ist so beschämend. Ich habe anscheinend all meine weiblichen Instinkte verloren. Falls ich die überhaupt jemals besessen habe. Mein Pils wird serviert.
    Ich halte mich an dem Glas fest, trinke die ersten Schlucke und wünschte, ich könnte diese Szene einer Freundin erzählen und mit ihr darüber lachen.
     

3
    Im Treppenhaus riecht es nach Seifenlauge. Der Fernsehapparat läuft. Ich steige die ersten Stufen hoch, bleibe stehen und warte.
    Als die Wohnungstür unsanft aufgestoßen wird, weiß ich, worauf. Die Einladung von heute Nachmittag. Ich würde gerne darauf zurückkommen. Aber Frau Heinrich hat noch immer nicht Feierabend gemacht. Sie bugsiert mühsam eine schwere Kiste mit Vasen vor sich her.
    Als sie mich entdeckt, stellt sie die Kiste ab und keucht: »Ein kleiner Teil meiner Sammlung.« Sie streckt sich, immer noch außer Atem, und lehnt sich in den Türrahmen.
    »Vasen kann man immer gebrauchen, habe ich gedacht. Aber glauben Sie mir: Sie können noch so viele davon haben, die richtige Größe fehlt.« Sie umfasst ihre Hüften und bewegt sie in kleinen, kreisenden Bewegungen. Ohne es zu wollen, starre ich fasziniert auf ihren Unterleib. Sie fängt meinen Blick auf und meint: »Bauchtanz. Ist unglaublich gut für den Rücken.«
    Sie schaut wieder zu mir nach oben: »Es reicht für heute. Haben Sie Lust auf einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher