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Frühling

Frühling

Titel: Frühling
Autoren: Hermann Hesse
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jedem Jahre deutlicher, warum diese heimtückische Jahreszeit den alten Leuten so schlecht bekommt und warum der Frühling für alte Leute eine so beliebte Sterbezeit ist.
    Eben darum verbringe ich seit einigen Jahren den Frühlingsbeginn nicht mehr zu Hause auf dem Lande, wo es so betäubend und unerträglich nach Erde und nach Heckenknospen riecht und wo einem auf Schritt und Trittgar so deutlich, gar so grob entgegengerufen wird, daß jetzt die Zeit ist, wo das Junge und Starke sich rühren, das Alte und Kranke aber sterben und vermodern muß. In der Stadt spürt man das nicht so heftig. Die paar grünen Wasseraugen im grauen Eis, die paar Amseln in den öffentlichen Gärten, die paar Flecken von jugendlichem Blau im windigen Himmel, das ist alles.
    (Aus: »März in der Stadt«, 1927)
/ FRÜHLING /
(1907)
    Der laue März und der feuchte April
Die singen alte Lieder.
Mein Herz weiß nimmer, was es will,
Es träumt und dichtet wieder.
Vom Venusberg ein verlorener Klang
Streift mich mit süßem Grauen,
Der Föhnwind ruft, der Amselsang
Verweht so bang im Blauen.
Sei stille, Herz, das ist vorbei,
Laß deine Träume vergehen!
Du sollst dem Freudenbringer Mai
Klar in die Augen sehen.
    // Der Frühling ist für alte Leute meistens keine angenehme Zeit. So wie der Föhn an den Bäumen rüttelt und jeden alten Baum Ast um Ast abtastet, ob er ihn nicht abknicken könne, so rüttelt der Frühling an den alten Leuten, ob sie bald morsch genug seien. Schön ist er aber dennoch.
    (Aus einem Brief an Karl Kloter, Ostern 1948)
/ DIE BLUTBUCHE /
    Eine junge Blutbuche stand
Ob meiner ersten Liebe,
Und als ich mein erstes Lied erfand,
Sah sie zu, was ich schriebe.
    So wie die Blutbuche kann kein Baum
In Frühlingsprächten schwelgen,
Hat keiner so farbigen Sommertraum
Und ein so jähes Welken.
    Eine junge Blutbuche steht
In allen meinen Träumen,
Ein vergangener Mai umweht
Meinen Liebling unter den Bäumen.
// DER PFIRSICHBAUM
    Heut nacht ging der Föhn gewaltig und erbarmungslos über das geduldige Land, über die leeren Felder und Gärten, durch die dürren Reben und den kahlen Wald, zerrte an jedem Ast und Stamm, heulte fauchend vor jedem Hindernis, klapperte knöchern im Feigenbaum und trieb Wolken welken Laubes in Wirbeln bis in alle Höhen. Sauber in große Haufen hingestrichen, lag es am Morgen, plattgedrückt und geduckt, hinter jeder Ecke und jedem Mauervorsprung, die einen Windschutz boten.
    Und als ich in den Garten kam, war ein Unglück geschehen. Der größte von meinen Pfirsichbäumen lag am Boden, nahe über der Erde abgebrochen und über die steile Böschung des Rebbergs hinabgestürzt. Sie werden ja nicht sehr alt, diese Bäume, und gehören nicht zu den Riesen und Helden, sie sind zart und anfällig, gegen Verletzungen überempfindlich, ihr harziger Saft hat etwas von altem, überzüchtetem Adelsblut. Es war kein besonders edler oder schöner Baum, der da gefallen war, aber er war eben doch der größte meiner Pfirsichbäume gewesen, ein alter Bekannter und Freund, schon länger als ich auf diesem Grundstück heimisch. Jedes Jahr hatte er bald nach der Mitte des März seine Knospen geöffnet und seine rosig blühende, schaumige Krone kraftvoll vom Blau desSchönwetterhimmels und unendlich zart vom Grau eines Regenhimmels abgehoben, hatte in den launigen Böen frischer Apriltage geschaukelt, durchflogen von den goldenen Flammen der Zitronenfalter, hatte sich gegen den bösen Föhn gestemmt, war still und wie träumerisch im nassen Grau der Regenzeiten gestanden, leicht gebeugt zu seinen Füßen niederblickend, wo mit jedem Regentag das Gras der steilen Rebhänge grüner und fetter wurde. Manchmal hatte ich einen kleinen blühenden Zweig von ihm mit ins Haus und Zimmer genommen, manchmal ihm zur Zeit, wo die Früchte schwer zu werden begannen, mit einer Stütze geholfen, manchmal auch hatte ich in frühern Jahren, frech genug, ihn in seiner Blütezeit zu malen versucht. In allen Jahreszeiten hatte er dagestanden, seinen Ort in meiner kleinen Welt gehabt und mit dazu gehört, hatte Hitze und Schnee, Sturm und Stille miterlebt, hatte seinen Ton zum Liede, seinen Klang zum Bilde beigetragen, war allmählich hoch über die Rebenpfähle hinausgewachsen und hatte Generationen von Eidechsen, Schlangen, Schmetterlingen und Vögeln überdauert. Er war nicht ausgezeichnet, nicht besonders beachtet, aber unentbehrlich gewesen. Zur Zeit der beginnenden Reife hatte ich jeden Morgen den kleinen Abstecher vom Treppenwegchen zu ihm
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