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Frostkuss

Frostkuss

Titel: Frostkuss
Autoren: Jennifer Estep
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einfach, dass jemand ein Champion ist. Wir alle … finden uns irgendwie. Wie Magnete, die sich ständig gegenseitig anziehen und wieder abstoßen. Besonders diejenigen, die auf verschiedenen Seiten stehen, die gegensätzlichen Göttern dienen. Zum Beispiel würde es mich nicht überraschen, wenn du eines Tages auf Lokis Champion triffst, da du ja Nike dienst. Die zwei Götter kämpfen seit Jahrhunderten gegeneinander – genauso wie ihre Champions.«
    Loki hatte einen Champion? Genau wie Nike? Ich hatte die tiefroten Augen des bösartigen Gottes nicht vergessen, die ich an jenem Abend in der Bibliothek der Altertümer gesehen hatte. Dieser hasserfüllte Blick verfolgte mich seitdem in meinen Albträumen, obwohl ich genau wusste, dass Loki eingesperrt war und mich nicht verletzen konnte. Ich bezweifelte allerdings, dass dasselbe für seinen Champion galt.
    Entschlossen verdrängte ich diesen Gedanken und starrte stattdessen die Buchstaben auf Metis’ Kampfstab an. »Was steht auf Ihrer Waffe? Und warum kann ich die Buchstaben nicht lesen?«
    Metis lächelte. »Nur ein Champion kann die Runen, die Nachricht auf seiner Waffe lesen. Auf meiner steht: ›In der Weisheit liegt große Stärke.‹«
    Weisheit? Mein Blick huschte zu der Statue auf Metis’ Schreibtisch. Athene war die griechische Göttin der Weisheit, was bedeutete, dass Metis ihr Champion sein musste. Daphne hatte mir ja schon erzählt, dass die Professorin ein Champion war, aber ich hatte ihr das nicht wirklich abgenommen. Ich musste dringend anfangen, Daphne mehr zu glauben.
    »Aber wenn Sie ein Champion sind, warum unterrichten Sie dann an der Akademie?«, fragte ich. »Warum kämpfen Sie nicht da draußen gegen Schnitter oder so?«
    Metis legte den Kampfstab wieder an seinen Platz zum Rest der Waffen, dann ging sie zurück zu ihrem Schreibtisch und setzte sich. »Weil meine Aufgabe als Champion darin besteht, hier zu sein und über die Schüler zu wachen. Ihnen Weisheit und alles andere zu vermitteln, was sie brauchen, um gegen Schnitter zu kämpfen. Und ich bin hier, um dich zu unterrichten, Gwen.«
    Sie zögerte. »Genau wie Grace es gewollt hätte.«
    Für einen Moment war ich wie vor den Kopf geschlagen. Einfach nur … erstarrt. Dann nahm mein Hirn die Arbeit wieder auf. »Grace? Meine … meine Mom? Was wissen Sie über sie? Warum sollte sie wollen, dass Sie mir beibringen, wie man ein Champion ist?« Die Fragen sprudelten eine nach der anderen aus meinem Mund.
    »Deine Mutter und ich waren befreundet«, erklärte Metis. »Beste Freundinnen, um genau zu sein. Damals, als wir hier Schüler waren.«
    Professor Metis setzte ihre silberne Brille wieder auf und griff nach einem Bild auf der Ecke des Schreibtischs. Es war dasselbe, das sie vor ein paar Minuten noch angesehen hatte. Sie drehte es herum, um es mir zu zeigen. Auf dem Bild standen zwei Mädchen Arm in Arm, auf ihren Gesichtern ein breites Grinsen. Bei einem der Mädchen handelte es sich um eine jüngere Version von Metis, als sie ungefähr in meinem Alter gewesen war.
    Das andere Mädchen auf dem Foto war meine Mom.
    Braunes Haar, violette Augen, helle Haut, wunderbares Lächeln. Grace Frost war sogar damals schon schön gewesen. Meine Mom hatte es gehasst, fotografiert zu werden, deshalb besaß ich nicht viele Bilder von ihr, besonders nicht aus ihrer Jugend. Aber dieses hier – ich wusste, dass es etwas ganz Besonderes war.
    »Darf ich … darf ich es berühren?«, flüsterte ich. »Bitte?«
    Metis zog das Bild aus dem Rahmen und gab es mir. Mit zitternder Hand griff ich danach. Meine Finger berührten das weiche, glatte Papier, ich schloss die Augen und ließ mich von den Erinnerungen davontragen.
    So viele Bilder blitzten in meinem Geist auf, und sie alle zeigten meine Mom und Metis. Lachend, redend, bei Spaziergängen auf dem Campus, beim Essen im Speisesaal, beim Training in der Sporthalle und bei all den unzähligen anderen Dingen, die Schüler in Mythos eben so taten. Es gab auch andere Bilder, andere Gefühle, die mit dem Foto verbunden waren. Das vollkommene Vertrauen, das sie ineinander gesetzt hatten, all die geflüsterten Geheimnisse und Schwärmereien, die sie geteilt hatten. Und immer hatten Metis und meine Mom sich geliebt – wie Schwestern. Das war das Gefühl, das ich am deutlichsten empfing: Liebe. Es war … schön zu wissen, dass jemand genauso tief für meine Mom empfunden hatte wie ich. Dass noch jemand sie genauso vermisste wie ich.
    Ich öffnete die Augen wieder
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