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Frostherz

Frostherz

Titel: Frostherz
Autoren: Bettina Broemme
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– seine Schuld. Dass seine Frau starb – seine Schuld. Und nach dem Tod von Annes Mutter hatte er sich geschworen, nie wieder schuld sein zu wollen. Dieses sein Kind, das Einzige, was ihm im Leben gelungen war, wie er sagte, wollte er nicht verlieren. Es durfte einfach nicht passieren.
    »Und schau«, sagte er. »Beinahe hätte ich dich auch verloren. Und diesmal wäre es wirklich meine Schuld gewesen. Weil ich zu sehr aufgepasst habe. Und dabei vergessen, dass jeder Mensch ein Recht auf Selbstbestimmung hat. Dass ich dich nicht an mich ketten darf. Dass du selbst den Weg deines Lebens gehen musst. Und dass nichts im Leben sicher ist. Gar nichts.«
    »Hast du ihn nicht wiedererkannt, als er damals das Haus besichtigt hat?«
    Johann überlegte lange.
    »Seine Stimme kam mir bekannt vor. Aber ich habe mich nicht weiter damit beschäftigt, woher ich sie kannte. Ich war nicht so weit wie deine Großmutter. Ich habe die Wahrheit nicht wissen wollen. Ich danke dir, dass du mir geholfen hast, sie endlich zuzulassen.«
    Sie hatten lange auf dem Sofa gesessen, sich an den Händen gehalten und in den Garten geschaut, wo die ersten Blätter von den Bäumen gefallen waren. Danach hatte er Annes Umzugswünschen zugestimmt.
    Als nun der Wagen aus dem Untersuchungsgefängnis vorfuhr, hörte das Schneetreiben ganz plötzlich auf. Als ahne der Himmel, dass dies wichtig sei. Einige Zeitungsreporter und Fotografen standen zwischen den Wartenden. Hermann Rosen stieg aus, die Arme auf dem Rücken gefesselt, den Blick auf den Boden gerichtet. Blitzlichtgewitter um ihn herum. Schon erreichte er die ersten Stufen, ohne auch nur von einem einzigen der Wartenden Notiz genommen zu haben.
    »Vater«, rief Cornelius da laut und tatsächlich, Hermann Rosen blickte fragend auf. Sein Blick fiel auf den ersten der Männer. Ob er noch den kleinen Jungen in den Gesichtszügen erkennen konnte? Sein Blick wanderte rasch über die Reihe, blieb schließlich an Cornelius hängen. Undurchdringlich seine Miene. Cornelius trat näher zu ihm und spuckte auf den Asphalt, einer folgte seinem Beispiel, bald taten es alle.
    Noch gebeugter als zuvor stieg Rosen die Stufen zum Gerichtssaal empor, stolperte einmal, wurde von den Beamten hochgezogen und dann verschwand er hinter den spiegelnden Türen mit dem goldfarbenen Handlauf.
    »Hallo«, sagte eine Stimme zaghaft zu Beginn der ersten Verhandlungspause. Anne und Cornelius drehten sich erstaunt um. Sie brauchten einen Augenblick, bis sie begriffen hatten, wer das Mädchen im Rollstuhl war. Anne schnürte es die Kehle zu, als sie Ami so sitzen sah. Eiskalt überlief es sie: Nie hatten sie sie im Krankenhaus besucht, nur einmal mit den Eltern telefoniert.
    Zu ihrem Erstaunen mussten sie jedoch feststellen, dass Ami – abgesehen vom Rollstuhl – besser denn je aussah. Sie hatte zugenommen, eine gesunde Hautfarbe, war nicht mehr so brachial geschminkt und ihr Gesicht, umrahmt von kurzen dunklen Haaren, strahlte Gelassenheit aus.
    »Kommt schon«, sagte Ami. »Lasst uns einen Kaffee trinken gehen. Ich brauch eh jemand, der mich aufs Klo begleitet.« Sie zwinkerte Anne zu.
    Nachdem das erledigt war, saßen sie in der hohen, weitläufigen Kantine, die eher an ein Krankenhaus als an ein Gerichtsgebäude erinnerte.
    »Wenn ich Glück habe und die nächste Reha gut läuft, dann kann ich im Frühjahr auf den Rollstuhl verzichten. Und endlich mein Abi nachmachen.«
    Ohne nachzudenken, legte Anne ihre Hand auf Amis Unterarm.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich glaube, wir waren ziemlich gemein zu dir. Ich hab dich immer nur als die Böse gesehen, die mich angegriffen hat, die mir meinen Freund wegnehmen wollte.« Ami blickte kurz an die Decke. Dann grinste sie.
    »Dass ich das noch erleben darf. Nee, im Ernst. Eigentlich bin ich froh, dass es den Unfall gegeben hat. Echt, schaut mich nicht so an! Ich bin seitdem clean! Ich hab ’ne super Therapeutin, mir geht es so gut wie noch nie. Na ja, okay, die Prachtchaise hier würde ich schon noch gerne wieder ablegen, aber das wird schon klappen.«
    »Wenn du unsere Hilfe brauchst«, sagte nun Cornelius. »Sag Bescheid. Das ist ganz ehrlich gemeint.«
    »Hach, mir kommen die Tränen«, witzelte Ami und musterte Cornelius eindringlich. »Mann, muss ich im Drogenrausch gewesen sein, dass ich mich in so einen Spießer wie dich verknallt habe. Lachhaft, ey!« Sie griff nach seiner Hand und drückte sie fest.
    »Bist du auch als Nebenklägerin hier?«, fragte Anne und Ami
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