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Frostblüte (German Edition)

Frostblüte (German Edition)

Titel: Frostblüte (German Edition)
Autoren: Zoë Marriott
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zusammengezimmerten Trage den Berg hinuntergetragen. Livia war bei mir und kümmerte sich um mich. Hinter uns lief eine andere Gruppe, sie trugen die Leichen der toten Bergwächter.
    Wir waren ins alte Lager zurückgekehrt und hatten die Gefallenen begraben. Arians Körper war die besondere Ehre dieses Hügelgrabs auf der Lichtung am Rande des Lagers erwiesen worden. In Uskaand verbrannten sie die Toten auf Scheiterhaufen, damit ihre Asche vom Wind davongetragen wurde. Als ich mit trockenen Augen zugesehen hatte, wie sie den in ein Leichentuch gehüllten Körper meines Freundes mit Steinen bedeckt hatten, die ihn für immer von Wärme und Licht und Luft trennten, hatte ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als Lucas Arme um mich zu fühlen.
    Doch er war nicht da.
    »Du brauchst dir keine Sorgen um ihn zu machen«, hatte Livia gesagt. »Er war müde und traurig und durcheinander – aber er war er selbst. Du hast ihn zurückgeholt. Er wollte, dass du die Festung verlässt, damit du dich erholen kannst.«
    Aber er wollte mich nicht bei sich haben.
    Die Bergwächter, die zurückgeblieben waren, um die Tempelfestung und die gefangenen Aufrührer zu bewachen, schickten häufig Nachrichten ins Lager. Livia las mir die Briefe vor. Die Gefangenen – einschließlich Ion – waren unter Geleitschutz nach Mesgao gebracht und der kleinen Garnison dort übergeben worden. Anschließend würde man sie nach Aroha abführen, wo sie sich vor dem König und der Reia verantworten müssten. Die befreiten Rua wurden in die Dörfer und Höfe zurückgebracht, aus denen man sie verschleppt hatte.
    Von Luca trafen keine Nachrichten ein.
    Nach zwei Wochen kehrten immer mehr Bergwächter ins Lager zurück, sie hatten ihre Aufgaben beendet. Dann kam Rani und mit ihr alle überlebenden und verletzten Bergwächter, einschließlich Hind, die Witze riss, dass sie zur Hälfte eine Katze war und bestimmt noch drei Leben vor sich hatte. Rani brachte auch die Nachricht von Lucas unmittelbar bevorstehender Rückkehr.
    »Arian«, sagte ich zu den Steinen. »Arian. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    »Er ist nicht hier«, sagte eine vertraute Stimme aus dem Schatten.
    Ich sprang auf, dann zögerte ich, Schwindel überkam mich. Starke Arme fingen mich auf, bevor ich umkippen konnte. Der Duft von Sonnenschein und Geißblatt kribbelte mir in der Nase.
    Lucas Hände lagen warm auf meinem Rücken und machten mir erst bewusst, wie durchgefroren ich war. Im Sternenlicht konnte ich nur das goldene Schimmern seiner zerzausten Haare sehen und das Blaugold seiner Augen. Auf seinem Gesicht waren keine Verbände.
    Auf eine unruhige Bewegung von mir ließ Luca sofort die Arme sinken. Als ich ihn nicht mehr spürte, hätte ich am liebsten geweint, aber es war zu spät. Er trat bereits einen Schritt zurück.
    »Ich wollte dich nicht erschrecken.«
    Ich zuckte die Achseln, die Worte blieben mir im Hals stecken.
    »Es tut mir leid, dass ich so lange weggeblieben bin«, sagte Luca tonlos. »Setzt du dich zu mir? Für einen Augenblick?«
    Ich kniete mich wieder hin. Luca folgte meinem Beispiel. Wir starrten beide auf das Hügelgrab. Ich wartete, dass er sprechen würde, doch das einzige Geräusch war das Rascheln der Blätter im aufziehenden Wind.
    »Was hast du damit gemeint?«, fragte ich nach einer Weile, als ich das bedrückte Schweigen nicht länger ertragen konnte. »Als du gesagt hast, er sei nicht hier?«
    »Ich wollte sagen … dass dieses Grab für uns ist, nicht für ihn. Krieger, großherzige Männer und Frauen werden von der Flamme der Heiligen Urmutter eingehüllt. Er ist jetzt bei Ihr.«
    »Das wird ihm gefallen.« Ich starrte auf meine Hände.
    Wieder herrschte unbehagliches Schweigen. Es fühlte sich unwirklich an. So war es noch nie zwischen uns gewesen. Wir schienen einander nun fremder zu sein, als wir es bei unserer ersten Begegnung gewesen waren. Zwischen uns waren so viel Schmerz, so viele schreckliche Erinnerungen; ich hatte keine Ahnung, wie ich sie überwinden sollte.
    »Du vermisst ihn sehr, oder?«, fragte Luca leise.
    Ich drehte den Kopf, um den verschwommenen Fleck seines bleichen Gesichts im Dunkeln anzusehen. »Du nicht? Er war dein Bruder.«
    »Für dich war er mehr. Er war mein Freund und mein Bruder, aber er war dein … dein …«
    Ich seufzte. »Luca, so war es nicht.«
    »Du schuldest mir keine Erklärungen«, sagte er, seine Stimme klang angespannt. »Es tut mir leid, wie ich damals reagiert habe. Es ist unverzeihlich. Du hast mir
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