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Frostblüte (German Edition)

Frostblüte (German Edition)

Titel: Frostblüte (German Edition)
Autoren: Zoë Marriott
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die Leute aus der Gegend entführen und als Sklaven über die Grenze und … an andere Orte verkaufen. Es war ein unglücklicher Zufall, dass du da hineingeraten bist. Wo kommst du her?«
    Zu lügen war sinnlos. »Uskaand.«
    »Es ist ein langer Weg von Uskaand«, sagte der Ziegenhirte, sichtlich zweifelnd. »Mit wem bist du unterwegs?«
    »M-mit niemand. Ich war allein. Bin allein.« Die Worte waren ungeschönt und schmerzhaft; ich hasste ihn dafür, dass er mich dazu brachte, sie auszusprechen.
    »Warum bist du in Ruan?«, fragte Luca.
    Ich öffnete den Mund, dann schloss ich ihn wieder, mein Blick wanderte unsicher zwischen den beiden Männern hin und her. »Meine Ma starb letzten Winter. Ich habe sonst niemanden. Sie hat ständig über Ruan und die Feuergöttin gesprochen. Da es keinen anderen Ort gab, wo ich hingehen konnte, bin ich hierhergekommen.«
    »Die Feuergöttin? Meinst du die Heilige Urmutter?«, fragte Luca.
    »Die F-Feuergöttin«, wiederholte ich stur.
    »Und du bist über tausend Kilometer gelaufen, allein, um jemanden aus einer Gutenachtgeschichte zu suchen, die dir deine Mutter erzählt hat?« Der Ziegenhirte schüttelte den Kopf. »Erwartest du ernsthaft, dass wir dir das abnehmen?«
    »Es ist die Wahrheit.«
    Als Luca aufstand, wanderte das Licht über ihn und ließ in seinem langen Zopf Farben aufleuchten, die an Tigeraugenquarz erinnerten. »Du hast heute eine Menge mitgemacht. Ich werde morgen wieder mit dir sprechen – nachdem du gegessen und geschlafen hast. Vielleicht ergibt deine Geschichte dann mehr Sinn.«
    »Ihr l-lasst mich hier eingesperrt?«, fragte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich habe nichts verbrochen. Ihr könnt nicht –«
    »Wir haben jedes Recht, dich festzuhalten«, sagte Luca. »Du hast uns angegriffen.«
    »Ich h-habe es euch erklärt. Ich hatte Angst! Ich bin in Panik geraten!«
    »Du hast nicht wie ein junges Mädchen gekämpft, das Panik hat. Du hast wie ein wildes Tier gekämpft und auch wie eines geheult. Du verheimlichst irgendetwas. Es ist die Aufgabe der Bergwächter, für Sicherheit in dieser Gegend zu sorgen. Ich glaube nicht, dass es sicher wäre, dich laufen zu lassen, ohne den wahren Grund zu erfahren, warum du hier bist und was du vorhast.«
    »Ich l-lüge nicht. Ich will einfach meines Weges ziehen. Lasst mich gehen!«
    »Ich bedaure.« Eine Sekunde lang sah er tatsächlich so aus, als täte es ihm leid, doch dann straffte sich sein Rücken.
    Er verließ die Zelle ohne ein weiteres Wort.
    Der Ziegenhirte schloss die Tür hinter ihm, stellte sich ans Fußende der Matratze und musterte mich. Seine Hand umklammerte den Schwertgriff so fest, dass die Knöchel gelblich hervortraten.
    »Wenn du weiter lügst, gibt er irgendwann auf und bringt dich hinunter zu den Ältesten in Mesgao.«
    »Ich lüge n–«
    Er schnitt mir das Wort ab. »Sobald dich die Ältesten eingesperrt haben, bist du nicht mehr mein Problem und es ist mir egal, was du machst. Doch solange du in diesem Lager bist, werde ich dich keine einzige Sekunde aus den Augen lassen. Wenn du irgendetwas tust, die geringste Kleinigkeit, die die Vermutung nahelegt, dass du ihm zum zweiten Mal Schaden zufügen willst, werde ich dich hinrichten. Sofort und ohne Vorwarnung. Luca wird das nicht gefallen – aber er ist auch ein ehrenhafter Mann. Ich nicht. Behalte das im Hinterkopf.«
    Er drehte sich um, riss die Tür auf und stapfte hinaus. Ich hörte, wie mit einem Quietschen ein Eisenriegel vorgeschoben wurde. Es dauerte einen Augenblick, bevor ich wieder Luft bekam.
    Zitternd rollte ich mich zu einer Kugel zusammen, damit ich eine möglichst kleine Zielscheibe abgab. Die Kräuterkompresse rutschte mir von der Stirn, aber ich machte keine Anstalten, sie festzuhalten. Meine Hände wanderten zu meiner Brust, wo die vertraut spitze Form des Wolfzahns einen harten Klumpen unter meinem Hemd bildete. Ich umklammerte ihn durch den rauen Stoff.
    Oh, Vater, ich muss hier weg. Ich muss es zur Göttin schaffen.
    Bevor ich noch jemanden töte.

Vier
    Ich kniete auf der Matratze und suchte die Holzplanken der Zelle nach Schwachstellen oder Rissen ab, als ich Schritte näher kommen hörte. Ein Schatten bewegte sich in den goldenen Lichtbalken, den die schmale Türöffnung warf, und machte die Zelle kalt und dunkel. Gleich darauf war ein hartes Klopfen zu hören, dann eine ungeduldige Stimme. »Willst du essen oder nicht?«
    Ich richtete mich auf, als auch schon ein hölzernes Tablett durch die Öffnung gestoßen
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