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Frostblüte (German Edition)

Frostblüte (German Edition)

Titel: Frostblüte (German Edition)
Autoren: Zoë Marriott
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geschlagen wurde.
    Es war zu vertraut. Jedes Geräusch. Es erinnerte mich an … erinnerte mich an …
    Hör auf. Hör auf, daran zu denken!
    Die Tür schwang auf. Spätnachmittagslicht durchflutete den Raum und ließ meine Augen noch mehr tränen, während ich den Mann musterte, dessen Silhouette sich gegen das Licht abzeichnete.
    »Ich hoffe, du bist bereit, ein paar Fragen zu beantworten, du Möchtegernmörderin«, sagte die Silhouette. Ich erkannte die Stimme. Es war der zweite Mann vom Hang, der mit den dunklen Augen. »Ich muss gestehen, dass meine Geduld begrenzt ist.«
    Als ich versuchte mein Gesicht mit den Händen vor der Sonne zu schützen, um ich ihn richtig sehen zu können, spürte ich das Gewicht von Metall um meine Handgelenke. Meine Hände steckten in schweren Eisenfesseln.
    Die Angst, die ich so verzweifelt zu unterdrücken versucht hatte, kam hoch und krallte sich mit eisigen Klauen in mir fest. Die Handschellen klirrten, als mein Körper zu zittern begann. Von einer Sekunde auf die andere war ich wieder acht und in der Scheune des Ältesten Gallen eingesperrt. Ich konnte die Priester draußen singen hören und roch den Rauch.
    Vater, hilf mir.
    Ich sprang auf, obwohl meine geschundenen Muskeln protestierten. Das laute Prasseln des Feuers hallte in meinem Kopf.
    Der Ziegenhirte trat hastig auf mich zu. Ich warf mich mit vollem Gewicht auf ihn, so dass er gegen die Wand prallte, was die kleine Holzhütte erzittern ließ. Der Hirte schnappte nach Luft. Ich stieß ihn weg und rannte auf die geöffnete Tür zu.
    Die Silhouette streckte einen Arm nach mir aus, fast als wollte sie mich an sich ziehen. Ich ließ die Handschellen niedersausen, es war mir gleichgültig, ob ich dem Mann das Handgelenk brach. Doch er war schneller. Er riss den Arm zurück, dann packte er mich an Schulter und Taille und hielt mich fest – nur Zentimeter von der Freiheit entfernt.
    Ich versuchte mich loszumachen, doch seine Arme waren wie Eisen, stärker sogar als die Fesseln um meine Gelenke. Wie von fern nahm ich eine tiefe Stimme wahr, die auf mich einredete, aber ich verstand keine Worte. Ich wusste nur, dass ich entkommen musste, bevor die Priester eintrafen und Feuer legten.
    Mein Blick glitt über die Umgebung draußen vor der Zelle. Ringsum standen Zelte in allen möglichen Formen und Größen, die Zeltwände waren grün und gelb und blau gestreift. Eine Art Lager? Hinter den Zelten erkannte ich den Wald und die Berge. Dorthin musste ich es schaffen, entkommen, mich verstecken. Ich musste so lange laufen, bis mich niemand mehr finden konnte.
    Die Silhouette trat einen Schritt zurück, wollte mich wieder in die Zelle zerren.
    Ich schrie. Es war ein schrilles Kreischen, wie das eines Kaninchens in der Falle.
    »Beruhig dich«, sagte er. »Heilige Urmutter, hör auf zu kämpfen.«
    Hör auf zu kämpfen. Bleib ruhig. Halt dich raus.
    Ich riss mich mit aller Kraft von ihm los und spürte, wie seine Hand von meiner Schulter rutschte. Im gleichen Augenblick wurden meine Beine unter mir weggezogen und ich stürzte. Mein Kopf schlug auf etwas, das hart genug war, um mich schwarze und silberne Punkte sehen zu lassen. Dann verblasste das Schwarz und Silber und alles wurde wieder weiß.

Ich höre ihre Stimmen im Wind. Im fließenden Wasser. Im Rascheln der Blätter. Gleichgültig, was ich träume, sie sind da. Sie verstecken sich unter der Oberfläche. Beobachten. Warten. Die Welt meiner Träume wird immer kälter. Die Sonne im Traum geht immer unter. Und wenn die Sterne aufgehen, muss ich weglaufen …

Drei
    Hinterher – nachdem es passiert war – tat ich immer so, als könnte ich mich an nichts erinnern. Ich tat, als habe der Wolf nicht nur meinen Körper, sondern auch meine Seele gestohlen. Doch das stimmte nicht. Ich war nach wie vor da. Zurückgehalten von Wänden aus Eis, unfähig zu sprechen oder auch nur einen Finger zu rühren, sah ich zu, wie alles passierte.
    Ich erinnere mich daran, wie der Wolf den Abhang hoch auf Ulem und Marik zuraste, und an den Schock und die plötzliche Furcht auf ihren Gesichtern. Ich erinnere mich, wie er sich auf sie stürzte und seine Klauen einschlug, bis sie am Boden lagen; bis ihr Geschrei das ganze Dorf herbeirennen ließ; bis der Älteste Gallen und zwei andere Männer den noch immer heulenden, kämpfenden Wolf – mich – von den Jungen herunterrissen.
    Ich erinnere mich an jeden Augenblick des Wolfangriffs. Und ich erinnere mich daran, wie gut es sich anfühlte.
    Ich versuchte mir
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