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Friesenrache

Friesenrache

Titel: Friesenrache
Autoren: authors_sort
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herum, während sich auf dem Gesicht der beleibten Alten langsam ein Grinsen ausbreitete.
      »Dr. Münsterthaler«, Kommissar Thamsen packte den Juristen am Arm und zog dabei gleichzeitig ein Paar Handschellen aus seiner Jackentasche, »wie Sie wissen, bin ich gezwungen, Sie festzunehmen.«
      Das Klicken der Handschellen hallte durch die eisernen Streben des Treppenaufstiegs.
      Martin Münsterthaler, der immer noch ganz perplex über den Widerstand der alten Frau und dem plötzlichen Auftauchen des Kommissars war, ließ sich ohne weitere Gegenwehr abführen.

24

    Der Regen prasselte gnadenlos auf die frischen Blumenkränze. Die Satinbänder mit den Abschiedsbekundungen trieften bereits vor Nässe und wiesen überall dunkle Schmutzränder auf, die den Schleifen irgendwie die Würde des Gedenkens nahmen.
      Tom, Haie und Marlene standen an der frischen Grabstelle, dicht gedrängt unter einem winzigen, blauen Regenschirm, und blickten auf das schlichte Holzkreuz, auf den Sophie Carstensens Name und ihre Lebensdaten geprägt waren.
      Der Pastor hatte in der Trauerrede kein Wort über den Selbstmord verloren, sondern lediglich auf den Umstand, wie hilflos und verzweifelt manche Menschen waren, hingewiesen und zur gegenseitigen, gemeinschaftlichen Unterstützung aufgerufen. Jeder könne in solch eine Situation geraten und auf die Hilfe anderer angewiesen sein. Haie hatte dem Pastor im Stillen zugestimmt. Auch er war damals nach der Trennung von Elke in ein emotionelles Loch gefallen. Wenn Tom und Marlene ihn nicht aufgefangen hätten, er wüsste nicht, was aus ihm geworden wäre. Obwohl man seine Lage natürlich nicht mit der von Sophie Carstensen vergleichen konnte. Sie war jahrelang den Misshandlungen ihres Ehemannes ausgesetzt gewesen. Hatte Demütigungen wie Schläge eingesteckt. Stillschweigend, ohne überhaupt um Hilfe zu bitten. Sie war wehrlos und verzweifelt gewesen, doch die dargereichten Hände hatte sie ausgeschlagen, sich einfach ihrem Schicksal ergeben. Bis zuletzt.
      Dabei hätte sie doch nun, da ihr Peiniger tot war, ein schönes Leben führen können. Ein Leben ohne Schmerzen, Angst und Qualen. Sie hätte nicht mehr voller Furcht auf die Heimkehr ihres Mannes warten müssen, nicht wissend, in welcher Laune er sich befinden, ob er eventuell zuschlagen oder sie verschonen würde. Was musste das nur für ein Leben gewesen sein? Sie hätte doch froh sein müssen, endlich aus dieser Lage befreit zu sein.
      Doch sie hatte gewusst, dass Kalli ihretwegen umgebracht worden war. Und mit dieser Last wollte sie nicht leben, konnte sie nicht leben. Nur weil sie zu feige gewesen war, ihren Ehemann zu verlassen, war ein anderer zum Mörder geworden. Diese Einsicht musste sie auf den Dachboden getrieben haben. Dieses Schuldgefühl hatte sie zum Strick greifen lassen. Diese Gewissensbisse hatten ihre Füße veranlasst, den Kartonstapel umzustürzen.
      Ein leises Knirschen schreckte die Freunde aus ihren Gedanken. Dirk Thamsen näherte sich über einen der kleinen Kieswege, die sich zwischen den Gräbern hindurchschlängelten.
      »Ich hab's leider nicht rechtzeitig zur Beerdigung geschafft. Das Verhör und der Abschlussbericht haben mehr Zeit beansprucht, als ich gedacht habe«, entschuldigte er sein spätes Erscheinen.
      »Das ist schon in Ordnung«, beruhigte Haie ihn, »dafür ist der Fall nun endlich aufgeklärt.«
      Thamsen nickte und berichtete, Martin Münsterthaler habe den Mord ohne Weiteres gestanden. Er hatte von seiner Liebe zu Sophie Carstensen sowie der Angst und Sorge um sie erzählt, als er erfuhr, dass Kalli sie misshandelte.
      »Wenn ich nicht eingeschritten wäre, hätte dieser Widerling sie womöglich irgendwann umgebracht«, erklärte er seine Tat. Er war nach wie vor davon überzeugt, richtig gehandelt zu haben.
      Als er Kalli Carstensen die Straße im Herrenkoog überqueren sah, hatte er die Augen geschlossen und Gas gegeben. Erst nach dem gewaltigen Aufprall hatte er scharf gebremst und seinen Blick wieder nach vorn auf die Fahrbahn gerichtet. Der Körper des Landwirts musste einige Meter durch die Luft geschleudert worden sein und lag ein Stück weiter entfernt regungslos am Straßenrand.
      Panik hatte Dr. Münsterthaler ergriffen. Was sollte er tun? Wohin mit Kallis Leiche? Er war ausgestiegen, und in seiner Angst hatte er den Leichnam in den Kofferraum seines Wagens gehievt und war losgefahren.
      Er wusste nicht mehr, wie lange er unterwegs gewesen oder
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