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Friesengold (German Edition)

Friesengold (German Edition)

Titel: Friesengold (German Edition)
Autoren: Bernd Flessner
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versprochen, das muss man dir lassen, alter Mann. Eigentlich wollte ich den Preis noch um ein paar Scheine drücken, aber das hat sich erledigt. Das Ding da in der Kiste ist ein echter Hammer. Das ist ein Volltreffer, Mann! Also keine Bange, es bleibt bei dem ausgehandelten Preis. Schließlich sind wir doch Partner und wollen es ja auch bleiben, oder?«
    Onken empfand das Grinsen, das Heyden dabei aufsetzte, als widerlich und unerträglich. Ohne Gegenwehr ließ er es über sich ergehen und wartete, das Ticken im Ohr, auf eine bestimmte Handbewegung Heydens. Das dazugehörige Ritual musste er ebenso erdulden wie das fast zynische Grinsen. Im Zeitlupentempo führte sein selbst ernannter Partner die Hand zur Innentasche seines Mantels, um noch langsamer seine Brieftasche herauszuziehen. Er zelebrierte diese Geste regelrecht, machte sich einen Spaß aus Onkens Erwartungshaltung, provozierte genussvoll seine Geduld. Der Goldschmied versuchte wiederum, so desinteressiert wie möglich zu wirken, konzentrierte sich voll und ganz auf das Ticken, sah auf den Boden, an die Wand, bis Heyden endlich die Brieftasche aufschlug und einen dicken Briefumschlag entnahm. Onken wusste, was jetzt passierte. Heyden wechselte von einer Sekunde zur anderen das Tempo und stellte ihm den Umschlag laut und schmierig lachend per Luftpost zu. Zweimal musste der Goldschmied nachfassen, um das Kuvert nicht auf den Boden fallen zu lassen.
    »Gute Arbeit, mein Alter. Weiter so, und wir bleiben Freunde.«
    »Ich weiß nicht, ob ich noch mehr besorgen kann.«
    »Kannst du, Reinold, kannst du. Bestimmt.«
    »Wir werden sehen.«
    »Werden wir, werden wir. Melde dich auf dem üblichen Weg. So, ich mach mich jetzt vom Acker. Wird Zeit. Zwei Stunden durch den Schnee sind kein Vergnügen.«
    Heyden nahm den Deckel, auf dem der Name des Weingutes aufgedruckt war, und schob ihn in die dafür vorgesehenen Nuten der Kiste, die nun von einer gewöhnlichen Weinkiste nicht mehr zu unterscheiden war. Onken war bereits neben der Tür in Stellung gegangen und öffnete sie, als Heyden auf sie zuhielt.
    »Bis zum nächsten Mal, Alter.«
    »Auf Wiedersehen.«
    Der Ostwind nutzte die Gelegenheit, um eine Handvoll Schnee in seiner Werkstatt abzuladen. Aber das war Onken egal, denn Heyden war gegangen, war in der weiß ausgeschlagenen Dunkelheit von einem Augenblick zum nächsten verschwunden, wenn er Glück hatte, sogar für immer. Nun war er es, der grinste. Mit wiedergewonnenem Elan schloss er die Tür, arretierte die beiden Sicherheitsbügel und machte die Alarmanlage scharf. Dann ließ er sich in den Sessel fallen und zählte das Geld, von dem ein Viertel ihm gehörte. Die Summe stimmte, Heyden hatte ihn nicht beschissen. Er hatte keinen Stil, keinen Charakter, keine Kultur, keine Bildung, aber er hielt sein Wort.
    Onken legte den dicken Umschlag auf den Schmiedetisch, bückte sich und zog aus einer weiteren Kiste eine Flasche Bordeaux, die er gekonnt mit einem Sommeliermesser entkorkte. Auf das Dekantieren verzichtete er, sondern goss den dunkelroten Wein langsam in ein
großes, bauchiges Glas. Schon nach dem ersten Schluck war er wieder mit dem Ticken synchron, war er wieder im Takt, war wieder ruhig und entspannt. Die Scheine in dem Umschlag reichten, wenn er das Niveau seines bescheidenen Umsatzes weiterhin halten konnte, für mindestens zwei Jahre. Dann würde er weitersehen. Zwei Jahre waren eine lange Zeit. Beim zweiten Glas beschloss er, sie so intensiv wie möglich zu genießen. Vielleicht würde er sogar einmal Urlaub machen, vielleicht würde er einmal selbst ins Vignoble de Bordeaux fahren und sich seinen Wein persönlich im Chateau abholen.
    An der Wand vor ihm tickten seine Uhren, tickten ihm zu, lachten ihn an, wünschten ihm Glück. Onken hob sein Glas und prostete den Zeigern und Zifferblättern zu. Dem Glücklichen schlägt keine Stunde. Vor der Tür stimmte der Ostwind ein und intonierte einen eisigen Sound.

 
     
     
    2
     
    »Wisst ihr schon, wer es ist?«, fragte Greven.
    »Reinold Onken. Ihm gehört die kleine Goldschmiede in der Marktpassage«, antwortete Peter Häring, der trotz der eisigen Temperaturen in einem blauen Anzug steckte, unter dem ein wahrscheinlich frisch gebügeltes weißes Hemd mit dem Weiß des Schnees wetteiferte. Seine Schuhe waren nicht zu erkennen, denn sie verschwanden im Schnee. Greven aber wusste, dass es schwarze Halbschuhe mit glatten Ledersohlen waren. Teure italienische Schuhe. Härings Lippen vibrierten
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