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Friesengold (German Edition)

Friesengold (German Edition)

Titel: Friesengold (German Edition)
Autoren: Bernd Flessner
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etwas anderem, nach etwas wirklich Wertvollem.«
    »Aber gefunden hat er es nicht, sonst hätte er Onken nicht geschlagen und am Sous-Turm angebunden.«
    »Das sehe ich auch so«, stimmte Greven zu. »Vielleicht wollte er ihn zunächst nicht einmal ermorden, sondern nur zwingen, sein Geheimnis preiszugeben. Wenn das stimmt, was die Kollegen glauben, entdeckt zu haben, dann ist er nach einiger Zeit zum Turm zurückgekehrt, um seine Fragen zu wiederholen.«
    »In der Zwischenzeit hat er die Goldschmiede durchsucht.«
    »Sehr gut möglich, Peter, wahrscheinlich sogar.«
    »Aber als er Onken nochmals befragen wollte, war der bereits tot.«
    »Das wissen wir nicht«, entgegnete Greven. »Er kann auch erst später gestorben sein. Warten wir den Bericht ab. Doch im Großen und Ganzen dürfte es sich ungefähr so abgespielt haben.«
    »Ein Profi«, konstatierte Häring.
    »Auf jeden Fall. Er hat Handschuhe getragen, hatte mit großer Wahrscheinlichkeit die Kabelbinder in der Tasche und hat sich nicht für den Kleinkram interessiert, der jedem Junkie und jedem Durchschnittseinbrecher Tränen in die Augen getrieben hätte. Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, aber da hat jemand ganz genau gewusst, was er wollte.«
    Noch einmal nahmen sie den Raum wortlos in sich auf.
    »Es wird schwer sein, ihn zu finden, Gerd.«
    »Das fürchte ich auch«, brummte Greven.
    »Was ist bei einem kleinen Goldschmied in einer schmalen Gasse in Aurich zu finden, was wertvoller ist als eine Handvoll goldener Ringe? Bei einem Goldpreis von mehr als 1300 Dollar pro Feinunze?«
    »Das, Peter, ist die zentrale Frage. Können wir sie beantworten, haben wir eine reelle Chance, den Täter zu finden. Kümmere dich bitte um die Ordner und die Papiere. Vielleicht finden wir ja einen Hinweis. Hat Onken auch irgendwo gewohnt? Hier gibt es ja nur die kleine Küche und das Klo.«
    »Im Mühlenweg. Martin ist gleich hin, hat sich aber noch nicht gemeldet. Schlüssel haben wir jedenfalls keine gefunden.«
    »Dann wird es dort nicht viel anders aussehen als hier«, dachte Greven laut.
    »Warum hat er ihn ausgerechnet an den Turm gefesselt? Wo ihn jeder sehen kann, wo er sofort gefunden wird?«
    Greven wandte sich Häring zu und sah ihn konzentriert an. »Ich tippe auf eine Botschaft, eine Warnung, eine Drohung.«
    »Wenn dem so ist, ist sie glaubwürdig und unmissverständlich.«
    »Kann man so sagen. Wem diese Nachricht zugedacht ist, der sollte sich warm anziehen. Gut, belassen wir es dabei. Kümmere dich um alles, ich gehe zurück ins Büro.«
    »Aber …?«
    Greven warf seinem Kollegen einen unmissverständlichen Blick zu, schloss die Tür hinter sich und machte sich auf den Weg zur Polizeiinspektion.
    Noch immer schneite es, der Winter hatte sich nach langer Zeit wieder einmal an die überlieferten Jahreszeiten gehalten und sich gleich für den Dezember entschieden. Wie in seiner Kindheit, als sie die Deiche rund um den Greetsieler Hafen mit Kufenspuren überzogen hatten. Wer mutig war, demonstrierte sein Können auf der steileren Landseite, die an einigen Stellen, etwa zwischen Hafen und Schöpfwerk, in einen Graben einmündete. War der Frost nicht stark genug, brach man bei der Landung durchs Eis und kam mit steifen, halb gefrorenen Hosen nach Hause, noch schlimmer mit den Zähnen klappernd als sein Kollege Peter Häring. Einige Wenige, zu denen er leider nie gehört hatte, schafften es, ihrem Schlitten während der Schussfahrt durch einen riskanten Einsatz eines Fußes einen Kick zu geben, so dass er die Richtung änderte und seitlich auf dem Eis aufschlug, um im Graben seine Fahrt noch gut fünfzig Meter fortzusetzen. Wer den Einsatz der Fußbremse nicht beherrschte, so wie er, überschlug sich fast immer. Er landete anschließend zwar auch auf dem Eis, jedoch ohne Schlitten, dafür aber nicht selten mit blutender Nase.
    Blut und Schnee. Vor allem, wenn beides frisch war, konnte sich dieser Farbkombination kaum ein Mensch entziehen. Rot und Weiß in ihren prägnantesten natürlichen Erscheinungsformen. Körperwarm und eiskalt, Leben und kristalline Erstarrung, filigrane Reinheit und Schmerz, Verletzung, Tod. Als Kind hatte er einmal seine blutige Nase absichtlich über den unberührten Schnee gehalten, um das seltene, ästhetische Farbspiel zu bewundern.
    Für den alten Goldschmied aber war es kein Spiel gewesen, sondern tödlicher Ernst. Was mochte er gedacht, geahnt, befürchtet haben, in dem Bewusstsein, die Antwort nicht zu kennen? Dessen war
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