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Friedliche Zeiten - Erzählung

Friedliche Zeiten - Erzählung

Titel: Friedliche Zeiten - Erzählung
Autoren: Rotbuch-Verlag
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beide sehr vorsichtig miteinander, und sie ließ dem Vater den Hausbau, nachdem er ihr gesagt hatte, es ist schließlich auch für die Kinder, damit die Kinder etwas zum Erben haben. Im Osten hatte es überhaupt nichts zum Erben gegeben, weil der Osten das Erben abgeschafft hatte, also hatte die Mutter nicht daran gedacht, daß ihre Kinder, nun wo wir alle schon eine Weile im Westen waren und das Erben im Westen nicht abgeschafft worden war, später einmal etwas zum Erben brauchten, sie hatte überhaupt nicht an später gedacht und an später auch gar nicht denken können, weil sie ja wußte, daß sie jung sterben würde, und weiter als bis zum Jung-Sterben kann ein Mensch nicht denken, vor allem nicht, wenn er das Erben gar nicht kennt, sondern nur die viele Arbeit, die ein Ost-Haus macht und die ein West-Haus wahrscheinlich auch machen würde. Wasa war erleichtert, daß es in dem neuen Beinah-Streit nicht mehr um ihre Tage ging, und ich war gespannt, wie in dem neuen Haus die Schlüsselfrage gelöst werden würde. Ich war überhaupt gespannt, ob sie es machen würden mit dem Hausbauen, aber wenn sie es machen würden, wäre ich besonders gespannt, ob sie die Schlüsselfrage lösen, und Wasa sagte, sie glaubt nicht daran, daß die Schlüsselfrage gelöst werden kann, aber wenn es nach ihr ginge, sollten sie sich lieber später und wegen der Schlüsselfrage scheiden lassen als schon heute wegen ihrer Tage. Deswegen waren wir beim Hausbauen in der Sache eher auf der Seite des Vaters, obwohl die Scheidung schwieriger würde, wenn erst einmal so ein Haus gebaut ist und dasteht. Wasa sagte, bei einer Scheidung wird doch alles geteilt, oder wie ist das, weil die Osterloh-Kinder es uns erzählt hatten. Die Osterloh-Kinder hatten gesagt, daß bei einer Scheidung alle verrückt sind, weil sie sich erst die ganze Zeit streiten, bis sie so weit sind, daß sie es endlich machen, und dann geht das Streiten wieder los, weil sie nicht wissen, wie sie alles teilen sollen, und erst einmal dauert es eine ganze Zeit, bis sie das hingekriegt haben, um jeden Teelöffel müssen sie überlegen, wie sie ihn teilen, und endlich also haben sie ihre Teelöffel aufgeteilt, und dann kommt eine neue Frau Osterloh und bringt jede Menge Teelöffel mit, wenn sie einzieht, und das ganze Teilungstheater vorher ist völlig umsonst gewesen. Wasa sagte, und jetzt stell dir vor, sie bauen ein Haus, wir sitzen alle gemütlich in diesem Haus, sie lassen sich scheiden, und dann. Ich sagte, was und dann, weil ich noch über die Teelöffel nachdachte, von denen die Osterloh-Kinder gesprochen hatten, und Wasa sagte, aber vielleicht sind sie so schlau und bauen ein Haus, das man teilen kann, und da verstand ich, was sie meinte. Ich glaubte aber nicht, daß sie so ein Haus bauen würden, obwohl es im Grunde eine Lösung gewesen wäre.
    Ich hatte noch eine Befürchtung, aber sie war so schlimm, daß ich sie an dem Abend lieber für mich behalten und sie Wasa erst sagen wollte, wenn sie aus ihren Tagen heraus wäre, und außerdem mußte ich noch eine Weile abwarten, wie sich das Hausbauen entwickeln würde, bevor ich mit Wasa darüber sprechen konnte. Es entwickelte sich dann genau so, wie ich befürchtet hatte, und irgendwann sagte ich Wasa, ich hätte gesehen, daß wir zertrennt werden sollten. Ich hatte nämlich gesehen, wie der Vater in die Pläne, die er zeichnete, hineinschrieb, wem welches Zimmer gehören sollte, und Wasa und ich hatten jede ein eigenes Zimmer in den Plan eingezeichnet bekommen. Ich hatte noch nichts dagegen gesagt, weil ich erst wissen mußte, was Wasa darüber dachte, und Wasa sagte, sie wäre jedenfalls auch dagegen, daß wir zertrennt werden sollten, aber wir könnten vielleicht auch unzertrennlich sein, wenn wir jede ein eigenes Zimmer hätten, und da begriff ich, daß wir zertrennlich waren, und vielleicht waren wir beide im Geheimnisalter, aber trotzdem jede in einem anderen, und ich war zwar immer noch froh, daß ich Wasa vor dem Einschlafen hatte, aber ich merkte, es half schon nicht mehr.
    Ich hatte dann nicht mehr sehr viel Zeit, darüber nachzudenken, weil das Hausbauen ziemlich schnell losging und ganz anders wurde, als ich mir Hausbauen vorgestellt hatte. Alle zusammen fuhren wir immer an den Wochenenden los und mußten uns Häuser ansehen. Die Häuser standen mitten im Baumatsch einzeln auf einem Acker, und ich wollte zuerst kein Haus, das einzeln auf einem Acker steht, aber der Vater sagte, das sind nur Probehäuser, keine
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