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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere
Autoren: Stephen King
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auf dem Armaturenbrett des weißen Kastenwagens und sah Louis mit seinen leuchtenden grünen Augen an. Draußen auf der Main Street, vor dem Bahnhof von 1890, schüttelte Micky Maus die Hände der drängelnden Kinder, und die großen, weißen Papphandschuhe verschluckten die vertrauensvollen kleinen Hände.
     

7
    In den nächsten beiden Wochen war die Familie vollauf beschäftigt. Stück für Stück begann Louis' Arbeit Form anzunehmen (doch wie es sein würde, wenn zehntausend Studenten, viele von ihnen drogensüchtig und dem Alkohol verfallen, einige mit Geschlechtskrankheiten, andere nervös wegen ihrer Noten oder deprimiert, weil zum ersten Mal von Zuhause fort, ein Dutzend, Mädchen vor allem, appetitlos -- wie es sein würde, wenn sie sich alle gleichzeitig auf dem Campus drängten, das stand auf einem anderen Blatt). Und während Louis seine Arbeit als Leiter der Krankenstation der Universität in den Griff bekam, begann Rachel das Haus in den Griff zu bekommen.
    Gage war damit beschäftigt, sich die Beulen und Splitter zu holen, die mit der Eingewöhnung in eine neue Umgebung verbunden sind, und eine Zeitlang war sein nächtlicher Fahrplan völlig durcheinander; erst in der Mitte ihrer zweiten Woche in Ludlow begann er wieder durchzuschlafen. Nur Ellie, der der Eintritt in die Vorschule an einem fremden Ort bevorstand, schien ständig reizbar und empfindlich. Ein Wort genügte, sie in einen anhaltenden Kicheranfall ausbrechen zu lassen oder in Zeiten fast klimakterischer Depression und Launenhaftigkeit. Rachel meinte, sie würde darüber hinwegkommen, wenn sie merkte, daß die Schule nicht der große, rote Teufel war, als der er sich in ihren Gedanken darstellte; Louis zweifelte nicht, daß Rachel recht hatte. Die meiste Zeit war Ellie das, was sie immer gewesen war -- ein liebes Kind.
    Die ein oder zwei abendlichen Dosen Bier bei Jud Crandall wurden zu einer Art Gewohnheit. Um die Zeit, als Gage wieder durchzuschlafen begann, nahm Louis jeden zweiten oder dritten Abend eine Sechserpackung mit hinüber. Er lernte Norma Crandall kennen, eine reizende Frau mit rheumatoider Arthritis -- jener üblen Polyarthritis, die so vieles von dem zunichte macht, was im Alter sonst gesunder Frauen und Männer schön sein konnte; aber sie hielt sich tapfer. Sie ergab sich den Schmerzen nicht, hißte keine weißen Fahnen. Sollte die Krankheit doch sehen, wo sie blieb. Louis gab ihr noch weitere fünf bis sieben produktive, wenn auch nicht sonderlich angenehme Jahre.
    Ganz im Gegensatz zu seinen beruflichen Prinzipien untersuchte er sie aus eigenem Antrieb, überprüfte die Medikamente, die ihr Arzt ihr verschrieben hatte, und fand sie völlig in Ordnung. Er verspürte eine bohrende Enttäuschung, daß er nichts für sie tun konnte, aber Dr. Weybridge hatte alles so weit unter Kontrolle, wie es für Norma Crandall möglich war -- einen plötzlichen Schub ausgenommen, der eintreten konnte, mit dem man jedoch nicht zu rechnen brauchte. Entweder man lernte die Krankheit zu akzeptieren -- oder man endete in einer kleinen Kammer und schrieb mit Filzstiften Briefe nach Hause.
    Rachel mochte sie, und sie hatten ihre Freundschaft mit dem Austausch von Rezepten besiegelt -- auf die gleiche Weise, wie kleine Jungen Bilder von Baseball-Stars tauschen --, angefangen mit Norma Crandalls Apfelpastete gegen Rachels Filetspitzen Stroganoff. Norma hatte die beiden Creed-Kinder liebgewonnen -- vor allem Ellie, von der sie sagte, sie würde einmal eine »Schönheit wie in der guten alten Zeit« werden. Nur gut, sagte Louis an diesem Abend im Bett zu Rachel, daß sie nicht gesagt hatte, aus Ellie würde einmal ein ganz lieber Waschbär. Rachel mußte so heftig lachen, daß sie einen Wind fahren ließ, und dann lachten sie beide so lange und so laut, daß Gage im Nebenzimmer aufwachte.
    Der erste Vorschultag rückte näher. Louis, der sich inzwischen in der Krankenstation und dem dort vorhandenen medizinischen Instrumentarium auskannte, nahm den Tag frei. (Übrigens war die Krankenstation im Augenblick völlig leer; die letzte Patientin, ein Mädchen, das an einem Sommerkurs teilgenommen und sich auf den Stufen der Student Union ein Bein gebrochen hatte, war eine Woche zuvor entlassen worden.) Er stand mit Gage auf dem Arm neben Rachel auf dem Rasen, als der große, gelbe Bus aus dem Middle Drive einbog und vor ihrem Haus zum Stehen kam. Die vorderen Falttüren öffneten sich, und das Plappern und Kreischen vieler Kinder füllte die milde
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