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Frevel im Beinhaus

Frevel im Beinhaus

Titel: Frevel im Beinhaus
Autoren: Petra Schier
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Kraft seine Hand. «Hol mir Ludmilla her. Bitte. Ich brauche sie!»
    «Ludmilla?»
    «Beeil dich!» Adelina rang nach Atem und stieß einen Schmerzensschrei aus, als sie von einer heftigen Wehe erfasst wurde.

30
    Adelina hatte das Gefühl, in flaumige Daunen gehüllt zu sein. Alles um sie herum fühlte sich warm und weich an. Verschwommene Bilder eines Traums zogen an ihr vorüber. Dann roch sie plötzlich das scharfe Aroma von Kräutern und den verführerischen Duft von Brathähnchen. Sie versuchte herauszufinden, ob sie wachte oder noch immer schlief.
    «Seht Ihr, Herr Magister, sie rührt sich schon wieder», erklang die wohlbekannte Stimme der alten Hebamme neben ihr. «Ich sag Euch ja, ist alles halb so schlimm. Sie brauchte nur ein bisschen Schlaf, weiter nichts.»
    «Ein bisschen Schlaf? Sie ist seit gestern Mittag nicht einmal aufgewacht!»
    Als Adelina Neklas’ Stimme erkannte, schlug sie die Augen auf.
    «Ah, da ist sie ja wieder», kicherte Ludmilla, beugte sich über Adelina und tätschelte ihr fröhlich die Wange. «Na, Liebelein, ausgeschlafen?»
    «Neklas!» Adelina drehte den Kopf. Sofort war er an ihrer Seite und ergriff ihre Hände.
    «Ja, mein Schatz, ich bin da!»
    «Wie …?» Sie schloss kurz die Augen und öffnete sie dann wieder. «Träume ich?» Plötzlich fiel ihr wieder alles ein, und sie fuhr entsetzt hoch. «Mein Kind! Was ist …»
    «He, he, ganz ruhig.» Ludmilla drückte sie sanft in die Kissen zurück. «Deiner Tochter geht es hervorragend.» Sie winkte jemandem, und einen Moment später kam Franziska herbei und legte Adelina ein frisch gewindeltes Bündel in die Arme.
    «Tochter?» Verwirrt blickte Adelina in das kleine Gesichtchen, aus dem sie zwei strahlend blaue Augen mit offenbar größtem Erstaunen ansahen.
    «Sie ist ganz schön kräftig, wenn man bedenkt, dass sie mindestens drei Wochen zu früh auf die Welt gekommen ist», stellte Ludmilla fest. «Eine kleine Kämpferin, wie es scheint. Und gefräßig. Sie hat schon dreimal bei dir getrunken, ohne dass du es auch nur gemerkt hättest. Die denkwürdigen Umstände ihrer Geburt hat sie ohne sichtbaren Schaden überwunden.» Wieder kicherte Ludmilla. «Diese Geschichte wird sie wahrscheinlich zeit ihres Lebens verfolgen. Wer kann schon von sich behaupten, in einem heidnischen Mausoleum das Licht der Welt erblickt zu haben?»
    «Eine Tochter.» Adelinas Stimme zitterte leicht. Tränen der Erleichterung und des Glücks kullerten über ihre Wange, und sie gab ihrem Kind einen zärtlichen Kuss.
    «Ich habe sie natürlich notgetauft», erklärte Ludmilla. «Weil ich keinen Namen wusste, hab ich sie Gotteskind genannt. Da sie aber gesund und stark ist, solltet ihr alsbald eine richtige Taufe nachholen.»
    «Das werden wir.» Neklas strich Adelina sanft eine Haarsträhne aus der Stirn. «Das werden wir ganz bestimmt.»
    Adelina hob den Kopf. «Du bist wieder frei?» Sie hob eine Hand und ergriff damit die seine.
    «Ja, seit heute Morgen», antwortete er lächelnd.
    «Und Vater Emilianus …?»
    Neklas’ Blick wurde wieder ernst. «Er wird in einigen Tagen auf dem Neumarkt gehängt.»
    ***
    Nachdem Adelina aufgewacht war, scheuchte Ludmilla alle Anwesenden hinaus, um eine rasche Untersuchung durchzuführen. Danach half sie Adelina, ein frisches Unterkleidanzuziehen, und ließ ihr schließlich eine ordentliche Portion der Hähnchen heraufbringen, die Magda zubereitet hatte.
    Inzwischen hatte sich der gesamte Haushalt in der Schlafkammer eingefunden, und auch Jupp und Marie hatten sich dazugesellt. Obgleich die Kammer damit heillos überfüllt war, hätte Adelina sich nicht besser fühlen können. Colin spielte mit seiner Ritterfigur zu ihren Füßen, ihre kleine Tochter schlief in ihren Armen, und Neklas saß an ihrer Seite und ließ sie nicht aus den Augen.
    Nachdem sie sich nun gestärkt hatte, fühlte Adelina, wie ihre Lebensgeister allmählich zurückkehrten und mit ihnen einige drängende Fragen zu den Vorfällen des gestrigen Tages. Bevor sie allerdings dazu kam, auch nur eine von ihnen zu stellen, wurden irgendwo im Haus Geräusche laut. Schritte erklangen auf der Treppe. Ludowig, der an der Tür stand, spähte hinaus und trat dann eilig beiseite, als zwei Männer eintraten.
    Greverode blickte sich in der dichtgedrängten Runde erstaunt um. «Nanu?», sagte er. «Ich dachte schon, das Haus sei vollkommen ausgestorben.» Dann trat er auf Adelina zu und warf einen Blick auf den Säugling in ihren Armen. «Wie ich sehe, bist du
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